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[45] Wer guten Weg zeigt andern zwar,
Doch bleibt, wo Pfütz und Moder war,
Der ist der Sinn' und Weisheit bar.
Ein Narr ist in einen Sumpf gerathen; jenseits desselben zeigt ein Crucifix den rechten Weg, wodurch aber dem Narren nicht geholfen wird.
Der ist ein Narr, der strafen will,
Was ihm zu thun ist nicht zu viel;
Der ist ein Narr und ungeehrt,
Der jedes Ding zum Schlechten kehrt,
Der einen Lappen an Alles hängt
Und nicht der eignen Bresten denkt.
Eine Hand, die an der Wegscheid steht.
Zeigt nur den Weg, den sie nicht geht,
Und wer im Aug' den Balken hat,
Thu' ihn heraus, eh' er gibt Rath:
»Bruder, hab' Acht, ich seh' an dir
Ein Fäserlein, das mißfällt mir!«
Dem, der da lehrt, steht's übel an,
Wenn er sonst strafet Jedermann
Und selbst dem Laster nach doch geht,
Das andern Leuten übel steht,
Und wenn er leiden muß den Spruch:
»Herr Arzt, für dich erst Heilung such!«
Mancher den Andern Rath zuspricht,
Der sich doch selbst kann rathen nicht;[45]
Wie Gentilis und Mesuë,
Deren jeder starb am selben Weh,
Das er von Andern gern vertrieben,
Worüber fleißig sie geschrieben.
Ein jedes Laster, das geschieht,
Um soviel deutlicher man sieht,
Als man denselben hat in Acht,
Der solches Laster hat vollbracht.
Thu' erst das Werk und darnach lehre,
Willst du verdienen Lob und Ehre.
Einst hatte Israel im Sinn
Zu strafen den Stamm Benjamin,
Obschon es lag darnieder doch
Und selbst noch trug der Sünde Joch.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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