XXVI.

[51] Wer sich erwünscht, was ihm nicht noth,

Und seine Sach' nicht setzt auf Gott,

Der kommt zu Schaden oft und Spott.


Midas, der sich einst wünschte, alles, was er berührte, möchte zu Gold werden und nun bald Hungers starb, kniet mit Eselsohren und zurückgestreifter Schellenkappe im Rohr und hebt die Hände bittend gen Himmel.


Von unnützem Wünschen.

Das ist ein Narr, der Wünsche thut,

Die ihm bald schädlich sind, bald gut;

Denn wenn er's hätt' und würd' ihm wahr, –

Er blieb' der Narr doch, der er war.

Der König Midas wünscht' als Sold,[51]

Was er berührte, würde Gold;

Als das geschah, – da litt er Noth,

Nun ward zu Gold ihm Wein und Brod.

Daß man nicht säh' sein Eselsohr,

Das ihm gewachsen drauf im Rohr,

Verhüllte er mit Recht sein Haar.

Weh dem, deß Wünsche werden wahr!

Viele wünschen, daß sie leben lange,

Und machen doch der Seele bange

Mit Praß und Schlemmen im Weinhaus,

Daß sie vor Zeit muß fahren aus;

Dazu, ob sie schon werden alt,

Sind sie doch bleich, siech, ungestalt;

Ihre Wangen und Leiber sind so leer,

Als ob ein Aff' ihre Mutter wär'.

Viel Freude hat nur, wer noch jung,

Das Alter ist ohn' Abwechselung,

Ihm zittern Glieder, Stimm' und Hirn,

Ihm trieft die Nas', ist kahl die Stirn,

Es ist den Frauen zuwider fast,

Sich selbst und seinen Kindern zur Last;

Ihm schmeckt und gefällt nichts, was man thut,

Es sieht viel, was ihm scheint nicht gut.

Lang leben Andre, um in Pein

Und neuem Unglück stets zu sein,

In Trauer und in stätem Leid;

Sie enden die Tag' im schwarzen Kleid;

Es konnte Nestor in alten Tagen

Sammt Peleus und Laertes klagen,

Daß sie zu lang ließ leben Gott,

Weil sie die Söhne sahen todt.

Wär' Priamus gestorben eh',

Er hätt' erlebt nicht soviel Weh,

Das ihm mit Jammer ward bekannt

An Frau und Kindern, Stadt und Land.

Wenn Mithridat und Marius,

Pompejus, Krösus noch zum Schluß

Nicht worden wären also alt,

Sie wären gestorben in großer Gewalt.[52]

Wer Schönheit sich und seinem Kind

Erwünscht, der sucht Ursach' zur Sünd.

War Helena nicht als schön bekannt,

Ließ Paris sie in Griechenland;

Wär' häßlich gewesen Lucrezia,

Dann solche Schmach ihr nicht geschah;

Wenn Dina kröpfig und höckrig war,

Bracht' Sichem nicht ihrer Ehre Gefahr.

Schönheit und Keuschheit offenbar

Gar selten bei einander war.

Zumal die hübschen Hansen nun

Begehren Büberei zu thun

Und straucheln doch, daß man sie oft

Am Narrenstrick sieht unverhofft.

Mancher wünscht Häuser, Frau und Kind,

Oder daß er viel Gulden find'

Und ähnliche Thorheit, – von der Gott wohl

Erkennt, wie sie gerathen soll;

Drum säumt er, sie uns zu ertheilen,

Und was er gibt, nimmt er zuweilen.

Etliche wünschen sich Gewalt

Und Steigen ohne Aufenthalt

Und beachten nicht, daß wer hoch steigt,

Von solcher Höhe fällt gar leicht,

Und daß, wer auf der Erde liegt,

Vorm Fall sich braucht zu fürchten nicht.

Gott gibt uns Alles, was er will;

Er weiß, was recht ist, was zu viel,

Auch was uns nütz sei und bekomme,

Und was uns schade und nicht fromme;

Und wenn er uns nicht lieber hätt'

Als wir uns selbst, und wenn er thät'

Und macht uns, was wir wünschten, wahr, –

Es reut' uns, eh' verlief' ein Jahr.

Denn die Begierde macht uns blind

Zu wünschen Ding', die schädlich sind.

Wer wünschen will, daß er recht lebe,[53]

Der wünsche, daß der Herr ihm gebe

Gesunden Sinn, Leib und Gemüthe

Und ihn vor Furcht des Todes hüte,

Vor Zorn, vor bösem Geiz und Gier.

Wer das für sich erwirbet hier,

Hat seine Zeit gelegt baß an

Als Herkules je hat gethan

Oder als Sardanapalus hat

Trotz Wollust, Füll' und allem Staat;

Der hat Alles, was ihm ist noth,

Braucht nicht zu rufen das Glück statt Gott.

Ein Narr wünscht seinen Schaden oft:

Sein Wunsch wird Unglück unverhofft.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 51-54.
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Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
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