XLI.

[75] Glock' ohne Klöpfel gibt nicht Ton,

Hängt auch darin ein Fuchsschwanz schon:

Nicht jedes Wort dem Ohr bringt Lohn.


Ein Narr im Begriff aus einem offenen Mehlsack Mehl zu entnehmen steht neben einer umgestülpten Glocke, welcher ein Fuchsschwanz statt des Klöpfels dient.


Nicht auf alle Rede achten.

Wer bei der Welt auskommen will,

Der muß jetzt leiden Kummers viel

Und sehen viel vor seiner Thür

Und hören manche Ungebühr.

Darum in großem Lobe stehn,

Die nicht mehr mit der Welt umgehn,

Und sind durchgangen Berg und Thal,

Daß sie die Welt nicht brächt' zu Fall

Und sie vielleicht vergingen sich.

Doch läßt die Welt sie nicht ohn' Stich,

Wiewol sie nicht verdienen kann,[75]

Daß man trifft solche bei ihr an.

Wem recht zu thun ist Herzenspflicht.

Der achte nicht, was Jeder spricht,

Bleib' vielmehr auf dem Vorsatz steif,

Und hör' nicht auf des Narren Pfeif';

Hätten Propheten und Weißagen

Sich an Nachred' in ihren Tagen

Gekehrt und nicht gesagt Bescheid, –

Es wär' ihnen längst geworden Leid.

Es lebt auf Erden gar kein Mann,

Der recht thun jedem Narren kann;

Wer Jedermann könnt' dienen recht,

Der müßte sein ein guter Knecht

Und früh vor Tag dazu aufstehn

Und selten wieder schlafen gehn.

Der muß Mehl haben mehr denn viel,

Wer Jedem das Maul verstopfen will,

Denn es steht nicht in unsrer Macht,

Was jeder Narr kläfft, schwatzt und sagt.

Die Welt muß treiben, was sie kann,

Sie hat's vor Manchem mehr gethan.

Ein Gauch singt Kuckuk oft und lang

Wie jeder Vogel seinen Sang.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 75-76.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff: