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[75] Glock' ohne Klöpfel gibt nicht Ton,
Hängt auch darin ein Fuchsschwanz schon:
Nicht jedes Wort dem Ohr bringt Lohn.
Ein Narr im Begriff aus einem offenen Mehlsack Mehl zu entnehmen steht neben einer umgestülpten Glocke, welcher ein Fuchsschwanz statt des Klöpfels dient.
Wer bei der Welt auskommen will,
Der muß jetzt leiden Kummers viel
Und sehen viel vor seiner Thür
Und hören manche Ungebühr.
Darum in großem Lobe stehn,
Die nicht mehr mit der Welt umgehn,
Und sind durchgangen Berg und Thal,
Daß sie die Welt nicht brächt' zu Fall
Und sie vielleicht vergingen sich.
Doch läßt die Welt sie nicht ohn' Stich,
Wiewol sie nicht verdienen kann,[75]
Daß man trifft solche bei ihr an.
Wem recht zu thun ist Herzenspflicht.
Der achte nicht, was Jeder spricht,
Bleib' vielmehr auf dem Vorsatz steif,
Und hör' nicht auf des Narren Pfeif';
Hätten Propheten und Weißagen
Sich an Nachred' in ihren Tagen
Gekehrt und nicht gesagt Bescheid, –
Es wär' ihnen längst geworden Leid.
Es lebt auf Erden gar kein Mann,
Der recht thun jedem Narren kann;
Wer Jedermann könnt' dienen recht,
Der müßte sein ein guter Knecht
Und früh vor Tag dazu aufstehn
Und selten wieder schlafen gehn.
Der muß Mehl haben mehr denn viel,
Wer Jedem das Maul verstopfen will,
Denn es steht nicht in unsrer Macht,
Was jeder Narr kläfft, schwatzt und sagt.
Die Welt muß treiben, was sie kann,
Sie hat's vor Manchem mehr gethan.
Ein Gauch singt Kuckuk oft und lang
Wie jeder Vogel seinen Sang.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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