LIV.

[95] Wem Sackpfeifen Freude macht,

Daß Harf' und Laut' er drob verlacht,

Wird auf den Narrenschlitten gebracht.


Ein ärmlich gekleideter Narr mit nackten Beinen pfeift vor einer Thür auf dem Dudelsack; zu seinen Füßen liegen Harfe und Laute mit zwei großen Schellen.


Strafe nicht dulden wollen.

Daß Narrheit sich im Herzen regt,

Zeigt dies: ein Narr es nie erträgt

Noch mit Geduld es leiden mag,

Daß man von weisen Dingen sag'.

Ein Weiser gern von Weisheit hört,

Wodurch ihm Weisheit wird gemehrt.

Die Sackpfeif' ist des Narren Spiel,

Der Harfen achtet er nicht viel.

Kein Gut dem Narren in der Welt

Mehr als wie Kolb' und Pfeif' gefällt.

Kaum läßt sich tadeln, wer verkehrt;

Der Narren Zahl ohn' End' sich mehrt.

O Narr, bedenk' zu aller Frist,

Daß du ein Mensch und sterblich bist[95]

Und nichts als Lehm, Asch', Erd' und Mist.

Denn unter aller Creatur,

Die hat Vernunft in der Natur,

Bist die geringste du, ein Schaum,

Ein Hefensack und Bastart kaum.

Was rühmst du doch an dir Gewalt

Und Adel, Jugend, Geld, Gestalt,

Da Alles unter der Sonne ist

Unnütz, wenn Weisheit ihm gebrist.

Besser, daß dich ein Weiser straf',

Als daß dich anlach' ein närrisch Schaf.

Denn wie eine brennende Distel kracht,

So ist ein Narr auch, wenn er lacht.

Drum selig der Mensch, der in sich hat

Die Furcht des Herrn an jeder Statt.

Des Weisen Herz auch Trauer betrachtet,

Ein Narr allein auf Pfeifen achtet.

Man sing' und sag' mit Bitten und Flehn,

Er solle von seinen eilf Augen abgehn:

Er wird nicht Lehre noch Strafe verstehn.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 95-96.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff: