LVI.

[97] Nie Macht so groß auf Erden kam,

Die nicht zu Zeiten End' auch nahm,

Wenn ihr das Ziel und Stündlein kam.


Das Bild ist dasselbe wie zu Kap. 37. Sehr charakteristisch ist die Haltung der drei Narren auf dem Glücksrade, von denen der eine mühsam aufwärts strebt, der zweite auf der Höhe frohlockt und einen Reifen in der Schwebe hält, der dritte dagegen abwärts fahrend sich mit Händen und Füßen festhält.


Vom Ende der Gewalt.

Man findet Narren mannigfalt,

Die sich verlassen auf Gewalt,

Als ob sie ewig sollte stehn,

Die doch wie Schnee pflegt zu zergehn.

Der Kaiser Julius war genug

Wol reich und stark, an Sinnen klug,

Eh denn er mit Gewalt gebracht

An sich der Römer Reich und Macht.

Als er das Scepter an sich nahm,

Ihm Sorg' und Angst in Haufen kam;

Da war er nicht an Rath so klug:

Denn bald darob man todt ihn schlug.

Darius hatte reiches Land

Und konnte bleiben heim ohn' Schand'

Und hätt' behalten Gut und Ehr';

Doch weil er wollte suchen mehr

Und haben das, was sein nicht war,

Verlor er auch das Seine gar.

Und Xerxes bracht' nach Griechenland

Des Volks soviel wie Meeressand,

Das Meer mit Schiffen er bedeckte,

Daß er die ganze Welt erschreckte.

Und doch was war's, das er gewann?

Er griff Athen so grausig an,

Wie sonst der Löwe packt ein Huhn[98]

Und – floh doch, wie die Hasen thun.

Als König Nabuchdonosor

Mehr Glück zufiel als je zuvor

Und er Arfaxat überwand,

Wollt' er erst haben alle Land!

Er setzte Gottes Macht sich für

Und – ward verwandelt in ein Thier.

Gar leicht ich Euch noch viele nennte

Aus dem alten und neuen Testamente,

Aber es dünkt mich das nicht noth.

Gar wenig sind in Ruhe todt

Und sterben auf dem eignen Bette,

Die man sonst nicht getödtet hätte.

Drum merket ihr Gewaltigen all:

Ihr sitzet zwar in Glückes Fall,

So seid nun witzig und achtet aufs Ende,

Daß Gott das Rad Euch nicht umwende!

Fürchtet den Herrn und dienet ihm!

Wenn Euch sein Zorn ergreift und Grimm,

Der kürzlich wird entflammen sehr,

Wird Eure Gewalt nicht bleiben mehr.

Sie wird vielmehr mit Euch zergehn;

Ixîons Rad bleibt nimmer stehn,

Denn es läuft um von Winden klein,

Drum selig, wer hofft auf Gott allein!

Es fällt und bleibt nicht in der Höhe

Der Stein, den wälzt mit Sorg' und Wehe

Den Berg auf Sisyphus, der Narr.

Glück und Gewalt währt nicht viel Jahr',

Denn nach der Alten Spruch und Sage

Wächst Haar und Unglück alle Tage.

Unrechte Macht nimmt gründlich ab,

Das zeigt mit Jezabel Ahab,

Und hat ein Herr sonst keinen Feind,

Muß er befürchten sein Gesind[99]

Und die ihm nächste Freunde sind.

Die bringen ihn um seine Macht;

So hat des Herren Reich gebracht

An sich Zambri durch Mord und Schlag

Und ward ein Herr auf sieben Tag'.

Held Alexander die Welt bezwang:

Ein Diener vergab ihn mit einem Trank.

Darius floh und war ohn' Noth:

Sein Diener Bessus stach ihn todt.

So endet Gewalt und großes Gut,

Daß Cyrus trank sein eigen Blut.

Auf Erden Macht so hoch nie kam,

Die nicht ein End' mit Trauern nahm.

Der Freunde Stärke Keinen hegte,

Daß er sich einen Tag zulegte

Und sicher wär' einen Augenblick,

Daß er sollt' haben Macht und Glück.

Denn was die Welt aufs Höchste schätzt,

Das wird verbittert doch zuletzt;

Und wer sich stolz erhob und stand,

Der schau' und gleit' nicht auf den Sand,

Daß ihm nicht werde Spott und Schand'.

So ist es närrisch um Macht bestellt,

Da man sie selten lange behält!

Und so ich beschaue die Reiche daher:

Assyrien, Persien und andre mehr,

Macedonien, Medien, Griechenland,

Karthago und der Römer Stand,

So haben sie all gehabt ihr Ziel.

Das römische Reich bleibt, so Gott will;

Der hat gesetzt ihm Maß und Zeit,

Der geb', es werd' so groß und weit,

Daß ihm sein unterthan all Land',

Wie es nach Fug und Recht bewandt!

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 97-100.
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Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
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