LXXXI.

[151] Hier kommen Kellner, Köch', Ehalten,

All, die des Hauses Sorg' verwalten

Und redlich in dem Schiffe schalten.


Offene Küche am Ufer; eine Frau das Feuer schürend, ein Mann, der durch sein Aeußeres als Kellermeister bezeichnet ist, ein andrer durch seine Beschäftigung als Koch, ein dritter, welcher trinkt, werden alle vier von einem Narren, der als Schiffer erscheint, an Seilen gehalten.


Von Köchen und Kellnern.

Ein Bötlein uns vorüberlief,

Das fragte nah dem Narrenschiff,

Dem gaben wir versalzne Suppen,

Daß er das Fläschlein wohl möcht' luppen;

Wie schnell ist er davon geflogen,

Das Fläschlein hat er oft gezogen,

Wir wollten ihm ein Brieflein geben,

Doch er thät eilig weiterschweben.

Drum kommen wir die Straß' hier schlecht,

Kellner und Köche, Magd, Ehalt, Knecht,

Die in der Küche zu schaffen haben.

Wir tragen auf nach Kundschaft und Gaben,

Draus kein Bedenken uns entsteht,

Aus unserm Seckel es nicht geht;

Zumal, wenn unsre Herrschaft aus

Und sonsten Niemand ist im Haus,

Dann schlemmen wir und taberniren,

Auch fremde Prasser heim wir führen

Und geben da gar manchen Stoß

Den Kannen, Krügen, Flaschen groß.

Wenn Nachts die Herrschaft geht zur Ruh,

Und Thor und Riegel sind fest zu,

So trinken wir dann nicht vom bös'sten

Und zapfen aus dem Faß dem größten,

So kann man es so leicht nicht spüren.[152]

Ins Bett wir dann einander führen,

Doch ziehen wir zwei Socken an,

Daß uns der Herr nicht hören kann,

Und hört man dann doch etwas krachen,

Wähnt man, daß es die Katzen machen.

Alsdann nach einer kleinen Frist,

Vermeint der Herr, daß ihm noch ist

Im Fäßlein mancher gute Trunk,

Doch horch! der Zapf macht glunk, glunk, glunk!

Das ist ein schlimmes Zeichen, daß

Gar wenig mehr ist in dem Faß.

Sodann wir fleißig darauf achten,

Daß wir zurichten viele Trachten,

Und damit Lust und Magen reizen;

Mit Kochen, Sieden, Braten, Beizen,

Mit Rösten, Backen, Pfefferbrei,

Mit Zucker, Gewürz und Spezerei

Bereiten Trank wir und Gericht,

Daß an der Stiege sich Mancher bricht,

Oder er muß es von sich purgiren

Mit Syropen und mit Klystiren.

Drob machen wir nicht viel Geschrei,

Werden wir doch selbst voll dabei,

Da wir uns selber nicht vergessen:

Das Beste wir vom Hafen essen;

Denn wären wir auch vor Hunger gestorben,

Es hieß doch, wir seien durch Schlemmen verdorben.

Der Kellner spricht: »Brat' mir 'ne Wurst,

Herr Koch, so lösch' ich dir den Durst!«

Der Kellner ist des Weins Verräther,

So ist der Koch des Teufels Bräter,

Hier wird er gewohnt das Küchenfeuer,

Drum scheint die Höll' ihm nicht ungeheuer.

Kellner und Köche sind selten leer,

Sie tragen auf und mühn sich sehr:

Zum Narrenschiff steht ihr Begehr.

Als Joseph nach Egypten kam,[153]

Der Köche Fürst ihn zu sich nahm,

Und Zion gewann Nabursadam.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 151-154.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon