LXXXIII.

[156] Viel Narren freut nichts in der Welt,

Es sei denn, daß es schmeck' nach Geld;

Die gehören auch ins Narrenfeld.


Dasselbe Bild wie zu Kap. 3.


Von Verachtung der Armuth.

Geldnarren sind auch überall

So viel, daß man nicht kennt die Zahl,

Die lieber haben Geld als Ehr'.

Nach Armuth fragt jetzt Niemand mehr;

Man kommt auf Erden dort kaum aus,

Wo nichts als Tugend ist im Haus.

Weisheit thut man nicht Ehr' mehr an,

Und Ehrbarkeit muß hinten stahn;

Sie kommt kaum noch auf grünen Zweig,

Man will jetzt, daß man ihrer schweig';

Und wer auf Reichthum sich befleißt,

Hat dies allein auch nur im Geist

Und achtet Sünd' nicht, Wucher, Schand',

Nicht Mord, Verrath am eignen Land;

Das ist gemein jetzt in der Welt.

All Bosheit findet man um Geld:

Gerechtigkeit um Geld ist feil;

Durch Geld käm Mancher an das Seil,

Käm er mit Geld nicht aus der Haft.

Um Geld bleibt Sünd' oft ungestraft,

Ich sag' dir deutsch, wie ich das meine:[156]

Man henkt die kleinen Dieb' alleine;

Eine Brems nicht in dem Spinnweb klebt,

Die kleine Mücke nur drin schwebt.

Ahab war ehmals nicht zufrieden,

Daß ihm ein Königreich beschieden,

Bis er den Weinberg Naboths nahm,

Der arm ohn Recht zu Tode kam.

Der Arme muß stets in den Sack;

Was Geld gibt, ist gut von Geschmack.

Armuth, die jetzo ganz unwerth,

War etwa lieb und hochgeehrt

Und angenehm der goldnen Welt.

Da hat Niemand geachtet Geld

Oder etwas besessen allein:

All Dinge waren da gemein,

Und man an Dem Genügen fand,

Was ohne Arbeit jedes Land

Und die Natur ohn' Sorgen trug.

Doch als gebraucht erst ward der Pflug,

Fing man auch gierig an zu sein,

Da kam auch auf: »Wär' mein, was dein!«

All Tugend wär' noch auf der Erde,

Wenn man nur Ziemliches begehrte.

Armuth ist eine Gab' von Gott,

Wiewol sie jetzt der Welt ein Spott;

Das macht allein, weil Niemand ist,

Der denkt, wie Armuth nichts gebrist,

Und daß der nichts verlieren mag,

Der nichts gehabt in seinem Sack,

Und daß der leicht mag schwimmen weit,

Der nackend ist und ohne Kleid.

Ein Armer singt frei durch die Welt,

Dem Armen selten etwas fehlt.

Die Freiheit hat ein armer Mann,

Daß er doch betteln gehen kann,

Obschon man ihn sieht übel an;

Und wenn man ihm auch gar nichts reicht,[157]

So bleibt sein Gut wie vorher leicht.

Bei Armuth fand man bessern Rath,

Als Reichthum je gegeben hat,

Das zeigt uns Quintus Curius

Und der berühmte Fabricius,

Der wollte nicht haben Gut noch Geld,

Sondern hat Ehr' und Tugend erwählt.

Armuth gab ehmals Fundament

Und Anfang allem Regiment;

Armuth gebaut hat jede Stadt;

All Kunst Armuth erfunden hat;

Armuth kann ohne Uebel gehn,

All Ehr' aus Armuth mag erstehn;

Bei allen Völkern auf der Erde

War Armuth lang in hohem Werthe;

Es hat durch sie der Griechen Hand

Viel Städt' bezwungen, Leut' und Land.

Aristîdes war arm und gerecht,

Epaminoudas streng und schlecht,

Homer war arm und doch gelehrt,

In Weisheit Sokrates geehrt

Und Phocion keiner an Mild' übertrifft.

Das Lob hat Armuth in der Schrift:

Nichts ward auf Erden je so groß,

Das nicht zuerst aus Armuth floß.

Das römische Reich, sein hoher Nam'

Anfänglich her aus Armuth kam.

Denn welcher merkt und bedenkt dabei,

Daß Rom von Hirten erbauet sei

Und von armen Bauern lang regiert,

Danach von Reichthum ganz verführt,

Der mag wol merken, daß Armuth

Rom besser war als großes Gut.

Blieb' Krösus arm, doch weis an Muth,

Er hätt' behalten wol sein Gut;

Man fragte Solon um Bescheid,[158]

Ob jener hätte Seligkeit,

– Denn er war mächtig, reich, geehrt, –

Da sagte Solon: »Auf der Erd'

Nenn' keinen selig vor dem Tod,

Man weiß nicht, was ihm all noch droht!«

Wer meint noch festzustehen heut,

Der kennt doch nicht die künft'ge Zeit!

Der Herr sprach: »Euch sei Weh und Leid!

Ihr Reichen habt hier Eure Freud',

Ergötzlichkeit in Euerm Gut!

Doch wohl des Armen freiem Muth!«

Wer sammelt Gut durch der Lüge Kraft,

Der ist unnütz, wird zagehaft

Und macht sich feist mit Mißgeschick,

Daß er erwürg' am Todesstrick.

Wer einem Armen Unrecht thut

Und damit häufen will sein Gut,

Trifft einen Reichern, der erpreßt

Sein Gut und ihn in Armuth läßt.

Richt' nicht die Augen auf das Gut,

Das allzeit von dir fliehen thut;

Gleichwie der Adler, so gewinnt

Es Federn und fliegt durch den Wind.

Wenn Reichthum wäre gut auf Erden,

Trüg' Christus nicht Armuthgeberden.

Wer spricht, daß er ohn' Mängel wär',

Nur sei die Tasch' ihm pfennigleer,

Derselb' ist in der Thorheit Bann,

Ihm fehlt mehr als er sagen kann,

Zum Ersten, daß er nicht erkennt,

Wie er ist ärmer, als er wähnt.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 156-159.
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Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
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