CV.

[205] Wer will der Wahrheit Beistand leisten,

Der hat Verfolger wol am meisten,

Die ihm zu wehren sich erdreisten.


Dasselbe Bild wie zu Kap. 42.


Verhinderung des Guten.

Der ist ein Narr durch all sein Blut,

Wer hindert, daß ein Andrer thut

Das Gute, und sich untersteht

Zu wehren, was ihn nicht angeht,

Und gern sieht, daß ein Andrer sei

Ihm gleich und auch im Narrenbrei.

Denn Narren alle Zeit die hassen,

So mit guten Dingen sich befassen.

Ein Thor den andern nicht gern sieht;

Jedoch dem wahren Narrn geschieht,

Daß er sich freut, wann er nimmt wahr,

Daß er nicht sei allein ein Narr;

Darum er allzeit sich befleißt,

Daß Jedermann ein Narr auch heißt;

Er sinnt, um nicht der Narr allein

Mit Kolben und mit Kapp' zu sein.

Sieht er nun einen, der da will

Recht thun und sein in Weisheit still,

So spricht er: »Schau den Duckelmäuser!

Er will allein sein ein Carthäuser

Und treibt solch heuchlerischen Rath,

Weil er an Gott verzweifelt hat!

Wir wollen ja doch auch erwerben,

Daß Gott uns läßt in Gnaden sterben,

Wie er, obgleich er Tag und Nacht

Liegt auf den Knieen, betet und wacht;

Er will nur fasten und Zellen bauen,

Wagt weder Gott noch der Welt zu trauen!

Gott hat uns darum nicht geschaffen,[206]

Daß wir Mönche werden oder Pfaffen,

Und zumal, daß wir uns sollten entschlagen

Der Welt! Wir wollen nicht Kutte tragen

Noch Kappe! – sie habe denn Schellen auch!

Schaut an den Narren und den Gauch!

Er hätte noch in der Welt gethan

Viel Gutes und größern Lohn empfahn

Als jetzo, hätt' er Andre belehrt

Und zu dem Wege des Heils bekehrt,

Als daß er da liegt wie ein Schwein

Und mästet sich in der Zelle sein,

Versagt sich auch noch sonst gar viel

Und hat nicht Freude an Scherz und Spiel.

Sollte, wie er thut, Jedermann

Ziehn in der Carthause die Kutte an,

Wer sollte die Welt denn weiter mehren?

Die Leute weisen und belehren?

Es ist Gottes Wille und Meinung nicht,

Daß man der Welt so thue Verzicht

Und auf sich ganz allein hab' Acht!«

So reden die Narren Tag und Nacht,

Denen die Welt ist all ihr Theil,

Drum suchen sie nicht der Seele Heil.

Hör zu! Wärst du auch weis und klug,

Es wären dennoch Narren genug;

Wenn du auch hättest Mönchsgeberden,

Es gäbe der Narren mehr auf Erden.

Doch wäre dir ein Jeder gleich,

So wäre kein Mensch im Himmelreich;

Wenn du auch wärst ein witz'ger Geselle,

So führen dennoch genug zur Helle.

Ja, hätt' ich der Seelen in mir zwei,

Gesellt ich mich auch den Narren bei,

Aber so hab' ich eine allein

Und muß in Sorgen um diese sein:

Gott hat mit Belial nichts gemein!

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 205-207.
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Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
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Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
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