Erste Scene.

[103] Kloster St. Just bei Placencia in Estremadura.

Kleiner Blumengarten, dicht am Gebäude, mit der Aussicht auf den Fluß Xerte und fernes Gebirge. Früher Morgen; aus der Klosterpforte kommen:

Faust und Pater Anselmo.


ANSELMO.

Wie ruhtet ihr in eurer armen Zelle,

Mein edler Herr?

FAUST.

Wie ich nicht hoffte, gut.

Es ist mein Herz gestärkt, erfrischt mein Blut,

Mein Geist schwebt leicht auf der verjüngten Welle.

O holder Morgen, heil'ger Frühlingsathem,[103]

Hinwehend über alle – alle Saaten!

Bin ich am Ziel', ehrwürd'ger Herr?

ANSELMO.

Ihr seid's,

Ihr steht im Gärtlein Kaiser Carol's, Herr;

Er pflegt's mit Lieb' geraume Zeit bereits,

Und er verläßt es auch, so scheint's nicht mehr.

FAUST.

Ein Riesenbildniß der Vergänglichkeit!

In einem kleinen aber schönen Rahmen:

Der Weltbeherrscher Carl, vor dessen Namen

Allein die Völker bebten seiner Zeit,

Landpfleger jetzt von einer Spanne Raum,

Aus freier Wahl dazu, – ich faß' es kaum!

ANSELMO.

Ja wol; ein Mann, so mächtig, stolz und groß,

Daß, seltsam klingt's, in seines Reiches Ring,

Ihr wißt es ja, die Sonn' nicht unterging,

Zufrieden jetzt mit eines Mönches Loos.

FAUST.

Dies Blumengärtlein also sieht den Kaiser?

ANSELMO.

Ja, stundenlang. Er pflegt der Pflanzen fein,

Der Sprossen, die er setzt dem Boden ein,

Besorgt für Alles ruhig wie ein Weiser.[104]

So schrankenlos sein erster Schmerz gewesen,

Vielleicht in Sorg' um seine schönen Lande,

Im schlichten Mönchsgewande

Ist er der ird'schen Sorgen bald genesen;

Er übertrug's, wie's Christen ziemt, dem Himmel

Und ruht nun aus vom lauten Weltgetümmel.

Doch ich ermüd' euch, da ihr's selber wißt –

FAUST.

O sprechet weiter nur, es lauscht

Mein Herz der Kunde, sprecht und tauscht

Schmerz ein dafür, der es durchfließt!

Werd' ich, darf ich den Kaiser seh'n?

ANSELMO.

Auch sprechen, wenn ihr wollt, ja, edler Herr;

Doch auf Minuten nur, versteht, nicht mehr.

Seid ihr's zufrieden, mag's gescheh'n.

FAUST.

Nehmt meinen wärmsten, besten Dank!

ANSELMO.

Ihr danktet schon, denn eure reiche Spende

Verpflichtet uns; das Gold, so viel und blank,

Kam nicht in undankbare Hände.

Wir werden beten oft und viel für euch.

Wie aber nenn' ich euch dem Kaiser gleich?

FAUST.

Ich bin ein deutscher Freiherr, heiße Walle.[105]

ANSELMO.

Genug. Da kommt der Kaiser; treten wir

Fürs erst' in dieses Seitengärtlein hier,

Daß nicht sogleich auf euch sein Auge falle.

Auch redet wenig, denn er spricht nicht gern;

Doch, was er sagt, hat Kern.


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 103-106.
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