Der Jäger an den Hirten

[165] Durch den Wald mit raschen Schritten

Trage ich die Laute hin,

Freude singt, was Leid gelitten,

Schweres Herz hat leichten Sinn.


Durch die Büsche muß ich dringen

Nieder zu dem Felsenborn,

Und es schlingen sich mit Klingen

In die Saiten Ros' und Dorn.


In der Wildnis wild Gewässer

Breche ich mir kühne Bahn,

Klimm' ich aufwärts in die Schlösser,

Schaun sie mich befreundet an.


Weil ich alles Leben ehre,

Scheuen mich die Geister nicht,

Und ich spring' durch ihre Chöre

Wie ein irrend Zauberlicht.


Haus' ich nächtlich in Kapellen

Stört sich kein Gespenst an mir,

Weil sich Wandrer gern gesellen,

Denn auch ich bin nicht von hier.


Geister reichen mir den Becher,

Reichen mir die kalte Hand,

Denn ich bin ein frommer Zecher,

Scheue nicht den glühen Rand.[165]


Die Sirene in den Wogen,

Hätt' sie mich im Wasserschloß,

Gäbe, den sie hingezogen,

Gern den Fischer wieder los.


Aber ich muß fort nach Thule,

Suchen auf des Meeres Grund

Einen Becher, meine Buhle

Trinkt sich nur aus ihm gesund.


Wo die Schätze sind begraben

Weiß ich längst, Geduld, Geduld,

Alle Schätze werd' ich haben

Zu bezahlen alle Schuld.


Während ich dies Lied gesungen,

Nahet sich des Waldes Rand,

Aus des Laubes Dämmerungen

Trete ich ins offne Land.


Aus den Eichen zu den Myrten,

Aus der Laube in das Zelt,

Hat der Jäger sich dem Hirten,

Flöte sich dem Horn gesellt.


Daß du leicht die Lämmer hütest

Zähm' ich dir des Wolfes Wut,

Weil du fromm die Hände bietest,

Werd' ich deines Herdes Glut.


Und willst du die Arme schlingen

Um dein Liebchen zwei und zwei,

Will ich dir den Fels schon zwingen,

Daß er eine Laube sei.


Du kannst Kränze schlingen, singen,

Schnitzen, spitzen Pfeile süß,

Ich kann ringen, klingen, schwingen

Schlank und blank den Jägerspieß.[166]


Gieb die Pfeile, nimm den Bogen,

Mir ist's Ernst und dir ist's Scherz,

Hab' die Senne ich gezogen

Du gezielt, so trifft's ins Herz.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 165-167.
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