[Kein Tierlein ist auf Erden]

[345] Kein Tierlein ist auf Erden

Dir, lieber Gott zu klein,

Du ließt sie alle werden,

Und alle sind sie dein.

Zu dir, zu dir

Ruft Mensch und Tier

Der Vogel dir singt

Das Fischlein dir springt

Die Biene dir brummt

Der Käfer dir summt

Auch pfeifet dir das Mäuslein klein,

Herr Gott, du sollst gelobet sein.


Das Vöglein in den Lüften

Singt dir aus voller Brust,

Die Schlange in den Klüften

Zischt dir in Lebenslust.[345]

Zu dir, zu dir

Ruft Mensch und Tier usw.


Die Fischlein, die da schwimmen

Sind, Herr, vor dir nicht stumm,

Du hörest ihre Stimmen,

Ohn' dich kommt keines um.

Zu dir, zu dir usw.


Vor dir tanzt in der Sonne

Der kleinen Mücken Schwarm,

Zum Dank für Lebenswonne

Ist keins zu klein und arm.

Zu dir, zu dir usw.


Sonn', Mond gehn auf und unter

In deinem Gnadenreich,

Und alle deine Wunder

Sind sich an Größe gleich.

Zu dir, zu dir usw.


Zu dir muß jedes ringen,

Wenn es in Nöten schwebt,

Nur du kannst Hülfe bringen,

Durch den das Ganze lebt.

Zu dir, zu dir usw.


In starker Hand die Erde

Trägst du mit Mann und Maus,

Es ruft dein Odem, Werde,

Und bläst das Lichtlein aus.

Zu dir, zu dir usw.


Kein Sperling fällt vom Dache

Ohn' dich, vom Haupt kein Haar,

O teurer Vater wache

Bei uns in der Gefahr.

Zu dir, zu dir usw.[346]


Behüt' uns vor der Falle

Und vor dem süßen Gift

Und vor der Katzenkralle,

Die gar unfehlbar trifft.

Zu dir, zu dir usw.


Daß unsre Fahrt gelinge

Schütz' uns vor aller Not,

Und helf' uns zu dem Ringe

Und zu dem Zuckerbrot.

Zu dir, zu dir usw.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 345-347.
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