Begierd' und Lobgesang des Heiligen Augustinus von der Herrlichkeit und Freud' des Himmlischen Paradeises

[369] O du Brunn des wahren Lebens,

Voller Lust und Lieblichkeit,

O wie oft nach dir vergebens

Seufze ich in meinem Leid,

Ach wann wird zu dir einst fahren

Meine Seel' aus diesem Land,

So bisher in vielen Jahren

Bleibt in gar betrübtem Stand!

Ach daß möchten bald zerspringen

Die zu starke Lebensbänd',

Daß die Seel' hinauf sich schwingen

Möcht' zu ihrem Ziel und End'!

Ich gezwungen hie muß bleiben,

Gern wollt' fahren bald hinauf,

Mein Begierden stark mich treiben,

Zu vollenden meinen Lauf.

Kann nit länger ausgeschlossen

Von dem Trunk des Brunnens sein,

Der vom Anfang ausgegossen

Gibt mir lauter Freudenwein,

In der Höh' ist er gegründet,

Ihn umfaßt ein' solche Stadt,

Da nur Lieb' und Fried' sich findet,

Da man nichts zu fürchten hat.

Da die Mauren und die Pforten

Glänzen wie der Sternenschein,

Da die Palläst' aller Orten

Edle Stein' und Perlen sein,

Da die Weg' und alle Straßen

Nie vom Regen werden naß,

Ja sein über alle Maßen

Glänzend wie das gülden Glas.

Nichts vom Winter da man leidet,

Keine Wind' zu spüren sein,

Aller Schnee die Felder meidet,[370]

Blitz und Donner halten ein,

Steter Frühling da sich zeiget,

Prangt mit seiner Gärten Schätz'

Gar kein Dorn sich da ereignet,

Alle Frucht bleibt unverletzt.

Blumen sein dort auserlesen,

Nit verändern's ihren Stand,

Laub und Gras bleibt unverwesen,

Haltet immer grün das Land,

Balsam, Honig häufig fließen,

Und bereichen Berg und Tal,

Auch an Bäumen zu genießen

Hängen Früchten ohne Zahl.

Nie zum Untergang da neiget

Sich der helle Sonnenschein,

Immer auch der Mond sich zeiget

Unverändert, voll und rein,

Auch die Sternen nit mehr leiden,

Daß man's treibt zur finstern Wacht,

Von dem neuen Licht nie scheiden,

Fliehen nimmer zu der Nacht.

O du Lamm, bist Sonn' und Mone,

Du der Stadt giebst allen Schein,

Von dir kommt ihr Freud und Wonne,

Alle durch dich selig sein;

Deiner Freunden Glanz darneben

Wird durch dich den Sternen gleich,

O wie freund- und herrlich leben

Allesamt in deinem Reich!

Mit den Palm- und Lorbeerzweigen

Herrlich treten sie hervor,

Ihren Sieg damit zu zeigen,

Du selbst führest ihren Chor;

Groß Frohlocken wird gehöret,

Weil gelegt ist aller Krieg,

Nichts die sichre Freud' verstöret,

Ewig ihnen bleibt der Sieg.

Nit der Geist wird mehr verletzet[371]

Durch des Fleischs Betrüglichkeit

Dies den Stachel nit mehr wetzet

Zum gewohnten Seelenstreit,

Sein einander wohl gewogen,

Wunderfriedsam sein verpaart,

Weil der Leib auch angezogen

Nunmehr hat der Seelen Art.

Solcher Fried' ist gleichermaßen

Bei der auserwählten Schar,

Freudenfest auf allen Gassen

Alle halten immerdar.

Alle in der Jugend blühen

Und frohlocken immerdar,

Keine Sorg' sie kann bemühen

Und erwecken graue Haar.

Was den Menschen je erfreuet,

Haben sie in Überfluß,

Was der Mensch hingegen scheuet.

Weit von ihnen bleiben muß.

Aus dem Brunn des Lebens fließet

Alles Gut ohn' Unterlaß,

Dessen jedermann genießet

Ohne Ziel und ohne Maß.

Also süßlich immer leben

Die so liebe Gottesfreund',

Gern sich aller Dienst begeben,

Nur mit Gott zufrieden seind.

Speis und Trank nach Wunsch sie haben,

Keiner Durst noch Hunger leidt,

Gott mit seinen besten Gaben

Sie erquickt in Ewigkeit.

Fröhlich singen sie und klingen,

Geben ihrem Gott die Ehr,

Auf das immerwährend Singen

Sie zu singen wünschen mehr,

Keinen tut der Neid verwunden,

Eins ist aller Glück und Ehr,

Lieb' sie alle hat verbunden,[372]

Gleich als ein Person da wär'.

Was Gott einem hat gegeben,

Allen macht die Lieb' gemein,

Was gemein, ein jeder eben

Hat, als wär' es sein allein.

Keiner kann da Spaltung leiden,

Dann es ist der Liebe Reich,

Sein die Kronen schon verscheiden,

Macht die Lieb' doch alles gleich.

Diese Lieb' vom Geist entzündet

Immer bleibt in ihrer Glut,

Dann in Gott ist sie gegründet,

In dem lieb und höchsten Gut.

Aller Herz ihm einverleibet

Hat die göttlich Gütigkeit,

Darum stets bei allen bleibet

Die gewünschte Einigkeit.

Keine Plag' sie wird berühren,

Nichts den Leib wird machen matt.

Ja gar nit wird sein zu spüren,

Was vom Tod nur Namen hat.

Süßlich viele Instrumenten

Mit dem Singen stimmen ein,

Dieses Musikspiels Regenten

Gottes liebe Geister sein.

O! wie großes Gut wird geben

Denen, so aus dieser Welt

Gott beruft zu jenem Leben,

Und den Engeln zugesellt,

Da sie fröhlich immer sehen

Unter ihnen Sonn' und Mon,

Da sie ewiglich bestehen

Bei erlangter Ehrenkron'.

Ach zu welchen Freud' und Ehren

Werden Gottes Freund erhebt!

All mein Wünschen und Begehren

Nur nach diesen Gütern strebt.

Alle Güter dieser Erden[373]

Sein doch lauter Eitelkeit,

Können nit verglichen werden

Mit dem, was uns Gott bereit.

Jesu, wollest mir erwerben

Die so große Freud' und Ehr,

Gern alsdann ich jetzt wollt' sterben,

Und kein Ding begehren mehr!

Meine Seel' hast du versöhnet

Mit dem liebsten Vater dein,

Laß sie auch von dir gekrönet

Deines Reichs ein Miterb' sein!


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 369-374.
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