[Das Elend soll ich einsam bauen]

[440] Das Elend soll ich einsam bauen,

O schweige nur, ich kenn' das Leid,

Den heißen Schmerz des kranken Pfauen

Der nach der Sonne klimmend schreit,

Ich fühle in dem Abendgrauen

Der Nächte finstre Bitterkeit

Ich war im seligsten Vertrauen

Von je dem grimmen Schmerz geweiht

Und soll das Elend einsam bauen.


Das Elend soll ich einsam bauen,

Die Brunnen die ein Zauberschlag

Hervorrief auf den dürren Auen

Sie wenden sich, der junge Tag

Will nicht mehr auf mich niedertauen

Das Leben bricht mir den Vertrag

Ich soll nun in die Wüste schauen,

Ich, der der Einsamkeit erlag

Soll einsam nun das Elend bauen.


Das Elend soll ich einsam bauen

Mir wie dem ersten Mann geschah

Als in des Paradieses Auen

Der Herr ihn einsam trauern sah

Schuf er aus seiner Brust die Frauen,

Der Himmel war der Erde nah

Doch mit dem menschlichen Vertrauen

War Schlange Frucht und Tod auch da.

Drum muß ich einsam Elend bauen.


Das Elend soll ich einsam bauen

Verdorben war ich durch das Weib[440]

Wollt' in der Jungfrau neu mich schauen,

Die Gott verhießen, daß sie's bleib'.

Maria, Zuflucht der Jungfrauen,

Erhalt' dem Herren ihren Leib,

Laß sie nicht blinder Not vertrauen

Ob Erde sie vom Himmel treib'.

Ich muß mein Elend einsam bauen.


Das Elend soll ich einsam bauen

O Jesus höre mein Geschrei

Brich meiner Seele tiefes Grauen

O Jesus, führ' den Kelch vorbei

Mach von der Hölle gift'gen Klauen

O Jesus meine Seele frei

Ein armes kindliches Vertrauen

O Jesus meinem Geist verleih

Hilf mir mein Elend einsam bauen.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 440-441.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ausgewählte Gedichte
Märchen / Ausgewählte Gedichte (Fischer Klassik)