|
[459] Gespräch der Meisterin und Schülerin
Zur Meisterin sprach einst die Schülerin:
»Es ist Advent, Gott will sich uns bescheren
Als Menschenkind, gieb Rat, ich sinn' und sinn',
Weiß nicht, was tun, wollt' er bei mir einkehren.
Meisterin
Bau ihm ein Haus!
Schülerin
Ein Haus? ich armes Kind
Bring kaum ein Nest zustand für meine Taube,
Mein ganzes Werk blies um der erste Wind,
Als neulich ich gebaut die Bohnenlaube.
Meisterin
Ein ruhsam friedlich Herz sei dieses Haus
Von Mißgunst, Haß und Neid halt du es rein
All, was nicht Liebe ist, das fege aus,
Nur wo der Friede wohnt, kehrt Jesus ein.
Von äußern Dingen halt dies Haus fein still
Zieh keine fremden Händel vor Gericht,
Mag jeder tun und lassen, was er will,
Sorg du um das allein, was deine Pflicht,
Schülerin
Mit Gott und meinem Engel sei's versucht,
Doch welcher Raum im Haus kann würdig sein
Daß ihn des großen Gottes Sohn besucht?
[460] Meisterin
Bau ihm allein ein fein Schlafkämmerlein.
Schülerin
Ein Kämmerlein? wie bring' ich das zustand?
Käm' er zu mir, ich schmückte meine Zelle,
Mit Blumen, stellte alles ihm zur Hand,
Und harrte seiner Winke auf der Schwelle.
Doch geht's wohl kaum, denn wird mein Herz sein Haus,
Wird die Herzkammer auch wohl seine Kammer
Da fürcht' ich nur, er hält's darin nicht aus,
Wie soll er schlafen, immer pocht der Hammer.
Meisterin
Schlafkammer soll die innigste Begier
Nach deinem Gott in deinem Herzen sein
Des Herzens innig Sehnen baut in dir
Wie in Maria Jesu Kämmerlein.
Aus diesem Kämmerlein zur höchsten Zierde
Treib alles, was nicht Gottes ist, hinaus
Nicht Erd' noch Himmel sättigt die Begierde
Nur Gott allein füllt deine Sehnsucht aus.
Schülerin
Mit Gott und meinem Engel sei's versucht
An inniger Begier nach ihm fehlt's nicht,
Ich fürchte nur, wenn er mich nicht besucht,
Daß aus Begier das kranke Herz mir bricht.
Was aber tu ich, daß in der Begier
Die selbst nie ruht das Kindlein ruhend liege
Es bebt das Haus und auch die Kammer schier,
Wo find' dem Kind ich eine sanfte Wiege?
[461] Meisterin
Gehorsam, reines Gold, vor allen Dingen
Fügsam zum Bau der Wiege sich gebührt,
Die willig sich läßt hin und wider schwingen,
Wie sie die Hand, wie sie der Fuß berührt.
So soll dein Wille dem Gebot sich neigen
Ohn' alle Ausred und Entschuldigung,
Dann weint das Kindlein nicht, mit süßem Schweigen
Ruht's sanft in deines Herzens Huldigung.
Schülerin
Mit Gott und meinem Engel sei's versucht
Die heil'ge Obedienz baut mir die Wiege
Doch wer ist's, der mir Stroh zusammen sucht
Damit das Kind nicht auf den Brettern liege.
Meisterin
Demütigung, die aller Tugend Grund,
Demut vor Gott und Menschen hingegeben,
Macht auf dem eignen Feld dir einen Bund
Von Stroh, so schwer, daß du ihn kaum kannst heben.
Regt Hoffart sich, leg' ihr die Fragen vor
Wie viele Tag' in Sünd' hab' ich vergeudet,
Wie edle Zeit in Eitelm ich verlor
Wieviel durch Ärgernis hab' ich verleitet?
Hätt' Gott mit seiner Gnad' mich nicht gestützt,
Gelegenheit der Sünde nicht genommen,
Nicht sorgsamer als andre mich geschützt.
Wie wär' ich dann der Todesschuld entkommen?
Wie leb' ich jetzt, erfüll' ich das Gebot,
Das Gott auf Stein und in mein Herz geschrieben,[462]
Forsch' ich auch redlich, was dem Christen Not,
Und üb' ich's treu im Glauben, Hoffen, Lieben?
Herr! nähmest deine Gnade du von mir,
Ließ'st meinen Sinnen frei mich hingegeben
O welche Schuldenlast erwüchs' mir hier
Und welche Strafe in dem ew'gen Leben?
Prüft dich, mein Kind, die liebe Demut so,
Wirst du auf deinem Acker bald erkennen
Wie wenig Weizen und wie vieles Stroh,
Leg's in die Wiege, eh man's wird verbrennen.
Schülerin
Weh Stroh und Stroh! wer doch vor Feurgefahr
Sein bißchen Habe schon gesichert hätte,
O heiliger Sankt Florian bewahr!
Doch rat mir Meisterin nun auch zum Bette.
Meisterin
Das Bettlein sei vollkommene Geduld;
In äußerer und innerer Bedrängnis
Bedenke deine überflüss'ge Schuld
Und preise Gottes strafendes Verhängnis.
Trag alles Leid ergeben und geduldig,
Mehr wirst du leiden nie, als du verdienet,
Mach du ein Bettlein draus dem Kind unschuldig
Es kömmt vom Himmel, daß es dich versühnet.
Schülerin
Mit Gott und meinem Engel sei's versucht
Daß ein weich Bettchen komme in die Wiege;
Doch wo? wenn's Kindlein nach dem Kissen sucht,
Nehm' ich es her, daß sanft sein Häuptlein liege.
[463] Meisterin
Das Kissen wird die liebe Sanftmut sein,
Niemand betrübe, ärgre, oder störe
Zu allem sprich begütigend allein,
Unmut'ger Laune niemals Raum gewähre.
Zürn' nicht dem Hündlein, wenn's am Tische kratzt
Und nicht dem Bettler, wenn er nicht transchierlich
Zerlegt die Vöglein und beim Essen schmatzt,
Ja was du reichst so zierlich, ißt beschmierlich.
In Worten Werken und Geberden dein
Herrsch' Friede, Stille, ruhiges Gewissen,
Hüll' in Ehrwürdigkeit die Sanftmut ein
Dann füllst dem Kindlein du ein sanftes Kissen.
Schülerin
Mit Gott und meinem Engel sei's versucht,
Wie aber soll das Leintuch ich bereiten,
Das übers Bettlein ich nach Sitt' und Zucht
Dem lieben Kindlein reinlich aus muß breiten.
Meisterin
Das Leintuch ist ein Dasein keusch und rein,
Das unter dem Gebet wird fein gesponnen,
Und gleich gewebet unter mancher Pein,
Dann ausgespannt beim Kreuze in der Sonnen.
Und zwischen Lilien wird's bei Tag und Nacht
Im Taue frommer Tränen weiß gebleichet
Und vom Gewissen sorgsamlich bewacht,
Bis es den Lilien an Farbe gleichet.
[464] Schülerin
Mit Gott und seinem Engel sei's versucht,
Mit reinen Füßen zu dem Ziel zu wallen,
Daß Cäsar sterbend sinkend noch mit Zucht
Sein Kleid geordnet hat mir stäts gefallen.
Ich spinne, webe, Gott geb' Sonnenschein
Herr ich bitt' gar schön, wenn ich's Tuch ausstrecke,
Daß ich's mit Tränen bleiche lilienrein.
Doch breit' ich's über, fehlt mir noch die Decke.
Meisterin
Die Decke sei auf die Barmherzigkeit
Und Güte Gottes Hoffen und Vertrauen.
Daß die bereute Schuld dir Gott verzeiht
Die du bekennt hast, darauf mußt du bauen.
Vertrau' auf den barmherz'gen Gott allein,
Bringst du gleich Buß' und gutes Werk entgegen,
Wird doch Barmherzigkeit dir nur verzeihn.
Dem Hoffen, Glauben wird der Liebe Segen.
Schülerin
Mit Gott und meinem Engel sei's versucht,
Ich hoff' und glaub', wenn ich mit Liebe decke
Gottes Barmherzigkeit, die mich besucht,
Daß diese auch sich nach der Decke strecke.
Du lehrtest mich, wie ehrsam und bequem
Der Wiege Innres ich mit Bettwerk fülle,
Lehr' mich vom Äußern auch, woher ich nehm'
Das Wiegenband, den Bogen und die Hülle.
[465] Meisterin
Die heiße Lieb' zu deinem Gott und Herrn
Wird dir ein Wiegenband gar köstlich weben
Von diesem Band gewiegt wird Jesus gern
Dem Herzen, das ihn sucht, entgegenschweben.
Der hohe Fürst fühlt mit der Liebe Band,
Sich in der Wiege gern von dir umschlungen,
Das ihn um dich so eng am Kreuz umwand
Bis ihm aus Lieb' sein heil'ges Herz zersprungen.
Als Bogen richt' die gute Meinung auf
Daß nur zu Gottes Lob und größrer Ehre
Als seinem Ziel dein Tun und Lassen lauf'
Und weder hier noch dort nach Lohn begehre.
Des edlen Königs Augen ruhen gern
Auf diesem Bogen, fest und gleich geründet,
Denn von den Werken gilt vor Gott dem Herrn
Die Meinung nur, auf die sie sind gegründet.
Das Tuch, das schattend hüllt den Bogen ein,
Bereitet dir ein fromm verstandnes Schweigen,
Sprich nie, was nicht zu Gottes Ehr' allein
Noch zu dem Heil des Nächsten kann gereichen.
So um den hohen Gast durch Schweigen sei
Ein friedlich schirmend Schlummerzelt geschlagen;
Vergeblich Wort, unnütze Schwätzerei
Zerreißt das Zelt, daß Licht und Fliegen plagen.
Dann brauchest du auch frommer Mägde drei
Bei Tag und Nacht des hohen Kinds zu pflegen,
Ein Wink, ein Seufzer schon ruft sie herbei,
Flink eilen seinen Wünschen sie entgegen.
[466] Schülerin
Jetzt, liebe Meisterin, gib mir Bescheid
Wo ich drei solche fromme Mägde finde
Du selbst ja klagtest früher allezeit
Es sei jetzt solche Not um das Gesinde.
Meisterin
Die erste Magd soll die Erinnrung sein
Memoria ist stäts bei Tag und Nacht
Wie sie das Haus des Königs halte rein
Und auf sein Lob und seine Ehr' bedacht.
In ihrem Garten wächst Vergißmeinnicht,
Was sie bemerkt, verschiebt sie nicht auf morgen,
Gleich bei der wohlgeschürten Lampe Licht
Trägt sie's der zweiten Magd auf, zu besorgen.
Prudentia, Vernunft, Vorsichtigkeit
Heißt diese und ist Schaffnerin im Haus,
Sie ordnet, schafft und teilt zu seiner Zeit
Ein jed Geschäft dem dritten Mägdlein aus.
Vom Maulbeerbaum nimmt sie ein Beispiel gut,
Der bis zur warmen Zeit ohn' Blätter bleibet,
Und auch vom Hirsch, der wiederkauend ruht,
Bis ihn die Not zu schnellem Laufe treibet.
Die Schaffnerin befiehlt der dritten Magd,
Voluntas heißt sie, ist ganz guter Wille,
Und führet, was Prudentia ihr sagt
Flink und gehorsam aus in aller Stille.
Ein kluges Hündlein mit gerecktem Ohr
Blickt eifriger nicht auf des Meisters Winke
Als zu Prudentia, Voluntas blickt empor,
Und alles tut sie gleich, die treue, flinke.[467]
Sie wacht und bringt herzu und treibet auf
Bewahrt, was da, und findet, was verloren,
Sie dienet ruhend und in schnellem Lauf
Und murret nicht auch noch so scharf geschoren.
So wohl bedienet wird der hohe Gast
In deinem Herzen wie im Himmel wohnen
Und wie jungfräulich du geliebt ihn hast
Dich wie ein König seine Braut belohnen.
Gott in der Höhe sei nun Lob und Preis
Und auf der Erde allen Menschen Friede
Die guten Willens sind, das singe leis
Dem lieben Kinde du als Wiegenliede.
Schülerin
Mit Gott und meinem Engel sei's versucht
Und wird das Ganze auch nicht würdig sein,
Daß mich das liebe Himmelskind besucht,
Bitt' ich Sankt Joseph um sein Eselein.
Ausgewählte Ausgaben von
Ausgewählte Gedichte
|
Buchempfehlung
Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.
248 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro