Dritter Auftritt


[139] Valeria. Valerio hat den Arm voll Mäntel.


VALERIO. Guten Abend, Mädchen, was sinnest du wieder? Du hast ein gutes Leben, ich weiß nicht wohin vor Arbeit zu dem Balle; da habe ich die Mäntel für die Tänzer, daß sich die Wildfänge nicht erkälten.

VALERIA die in Gedanken stand. Lieber Vater, ich habe die Fackeln schon alle hintragen lassen; wenn nun die Mäntel dort sind, habt Ihr Ruhe.

VALERIO. Hilf mir die Nummern an die Mäntel heften.

VALERIA. Dieser ist für Ponce, Nummer eins, er hat ein samtnes Futter im Kragen, und ich habe ihn auch schon einmal angehabt.

VALERIO. Wo ist dann dieser Ponce? Ich glaubte, du maskiertest ihn.

VALERIA. Er ist oben in der Stube.

VALERIO. Allein? – Sieht ihr in die Augen. Da haben wir es – gehe doch zu ihm, Valerchen.

VALERIA. Er will mich nicht.

VALERIO. Er will dich nicht? So jage ihn – du hast wieder geweint. Der Ponce ist mir ein seltsamer Gast, und hat eine komische Manier, sich lieben zu lassen. Valerchen, nimm mir deine Augen in acht, es sind die Augen deiner Mutter, und dein bestes Erbstück – nimm sie in acht, und jage den Ponce.

VALERIA. Ich liebe ihn.

VALERIO. So jage ich euch alle beide.

VALERIA. Mich jagen? Vater, das geht nicht.

VALERIO. Es wird schon gehen, wenn ich es jage.

VALERIA. Wer wird Euch dann aus dem dicken Buche vorlesen, von dem Maurenkrieg?

VALERIO. Das mußt du mir zur Strafe erst so oft vorlesen, bis ich es auswendig kann.[139]

VALERIA. Wer wird Euch die Halskrausen machen, die Euch nimmer recht sind?

VALERIO. Ich werde mich nach der Mode kleiden; da kann ich sie kaufen, und im Sommer brauche ich gar keine.

VALERIA. Wer wird vor Euch gehen, stehen, Euch grüßen und Euch singen wie die liebe selige Mutter.

VALERIO. Ja, wegen des Gehens, Stehens und Singens – da hast du recht; geschwinde, mache mir so etwas, sonst jage ich dich.

VALERIA legt die Mäntel weg, geht zierlich in der Stube auf und ab, und singt.

O böse Sklaverei!

O wär ich wieder frei!

Kein Blicken, kein Winken, kein Scherzen,

Kein Äugeln, kein Locken, kein Herzen

Soll, wird je mein Herzelein flott,

Mich wieder berücken, umstricken – bei Gott!

VALERIO. Gut, Gott gebe, daß es wahr werde; du mußt nur ein wenig mehr schnarren, deine Mutter schnarrte allerliebst.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 139-140.
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