Siebenter Auftritt


[254] Lucilla, Valerio, Valeria. Letztere hält eine Liste in der Hand und eine Feder, Valerio ein Tintenfaß.


VALERIO. Dito, ein weinendes Frauenzimmer – lies, Adjudant, was du bis jetzt aufgeschrieben.

VALERIA. Aber Ihr seid auch heute gar zu komisch, Valerio.

VALERIO. Es wird dir noch vieles in der Welt gar zu komisch vorkommen, ehe du aufhörst, ein gar zu komisches Mädchen zu sein. Wenn der Scherz taugen soll, so muß er Ernst enthalten. – Also nenne mich nicht mehr Valerio, denn ich bin nun Kommandant dieses bald belagerten Schlosses; gewöhne dich an diesen Titel, wie ich dich schon lange Adjudant nenne.

VALERIA. Solange aber Porporino und Eure Tochter nicht zurück sind, könnt Ihr ja die Zugbrücken nicht aufziehen lassen, die ohnedies gar nicht da sind.

VALERIO. Sprich nicht so vor der Prinzessin, die wir bewachen, du unehrerbietiger Adjudant!

LUCILLA. O der Schmerz, der Schmerz! Lacht. Ha, ha, ha, verlassen – verraten – ha, ha – belagert! Lacht.

VALERIO. Sieh, da hast du schon der Prinzessin ihren gerechten Schmerz verdorben.

VALERIA. Denn sie muß lachen, wo sie weinen sollte.

VALERIO. Still, es giebt allerlei Nationen unter den Weibern, die nicht so einseitig sind als so eine Mohrin. Nähert sich Lucillen. Gebt Euch zufrieden, Ihr steht unter meinem Schutze, und wenn mein kleiner Adjudant etwas frevelhaft spricht, so ist dies nur schlecht übersetzte Vorsichtigkeit.

LUCILLA lacht. Ihr werdet meinen gerechten Schmerz nicht beruhigen. Lacht.

VALERIO. Ihr sollt die beruhigende Einsicht in alle Verteidigungsanstalten haben. Lies also, was wir notiert haben![254]

VALERIA. Ihr wart heute schon so früh lustig, Herr Kommandant; die Vögel, die so früh pfeifen, trifft abends der Jäger.

VALERIO. Ei was, du wirst mich nicht mutlos machen, sie werden schon kommen, ich habe für sie das Hinterpförtchen aufgelassen.

LUCILLA. Ihr wolltet das Inventarium der Festung vorlesen, mich zu beruhigen. Geschwind ans Werk, die Beruhigung ist mir nötig! Lacht.

VALERIO. Ich habe wohl von einem schmerzlichen Lächeln gehört, aber Dero schmerzliches Lachen ist mir bis jetzt noch nicht vorgekommen. Ihr erlaubt, daß ich Euch vor allem notieren lasse, denn ich muß vor Euch stehen; schreib, Adjudant!

VALERIA. Diktiert!

VALERIO diktierend. In der Festung anwesende Standespersonen, die nicht im Verteidigungszustande sind.

LUCILLA. He, Ihr werdet mich doch nicht unter die Invaliden setzen wollen?

VALERIO. Schreibe also: Nicht invalide, bloß durch Geschlecht gebrechlich. Diktiert. Donna Lucilla, Kleinod und Preis des Kampfs; Zustand: wird durch sein Lachen auch in der größten Verzweiflung die Besatzung ermuntern. Lucilla lacht.

VALERIA. O! mäßigt Euch, wir sind noch sehr munter, greifet unsre beste Munition, Dero Lachen, nicht zu sehr an. Valerio, Valeria, Lucilla lachen nacheinander.

VALERIO. Ja, ja, wir sind alle noch sehr mutvoll; lies das Verzeichnis, Adjudant!

VALERIA liest ab. Hoffentliche Freiwillige, welche in dem Augenblicke vermißt werden. Personen: Don Gabriel Ponce de Leon, Duca Fernand de Aquilar. Zustand: Nicht ganz richtig. Besatzung: Valerio de Campaces, Kommandant. Zustand: Vacat.

VALERIO. Schreibe hin – Eigenlob sieht nicht gut aus.

VALERIA schreibend. Sieht nicht gut aus.

VALERIO. He! vergiß Eigenlob nicht, denn ich sehe doch ziemlich aus.

LUCILLA lacht. Ha, ha – ach, Felix – Felix!

VALERIO. O! er ist sicher nicht vergessen, der Herr Adjudant[255] überging ihn, um Euch die alten Wunden nicht aufzureißen. Stößt Valerien an. Schreibe ihn hin, lies weiter!

VALERIA liest. Personen: Flammetta, Adjudant. Zustand: Kohlrabenschwarz, wird den Feinden schrecklich vorkommen; Gott wolle, daß der Schrecken sie nicht bleiche!

LUCILLA. Gut, und die Gemeinen?

VALERIO. Die Besatzung ist so vornehm, daß der Kommandant außer einem alten Bedienten der allergemeinste ist.

VALERIA liest. Weiter – Proviant-Verzeichnis.

VALERIO. Hierzu rufe den Kellermeister und Hausmeister.

VALERIA ruft zur Türe hinaus. Kellermeister, Hausmeister!

VALERIO ruft. Hier – das war nur des Zeremoniells halber. Die Speisekammer und der Keller, diese Hauptbatterien, diese angreiflichsten, kitzlichsten Posten, durften nur dem Kommandanten vertraut sein.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 254-256.
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