Vierter Auftritt.

[47] Pedrillo. Belmonte.


PEDRILLO.

Alles ruhig, alles stille;

Jeder liegt auf seinem Ohre,

Und die Wach' ist schon hinein.

BELMONTE.

Ha! so komm, sie zu erretten,

Denn geängstet, wie in Ketten,

Schlägt mein krankes Herz für sie.

Komm, laß uns eilen!

PEDRILLO.

Nicht so geschwinde![47]

BELMONTE.

Sie zu erretten.

PEDRILLO.

Nur nicht so hitzig!

BELMONTE.

Bester Pedrillo!

PEDRILLO.

Ah, nur gemach!

Erst sing ich mein Liedchen,

Hm! – hust' ich darein:

Dann hol ich die Leiter;

Husch! sind wir hinein.

BELMONTE.

Zaudre nicht länger!

PEDRILLO.

Ah, nur gemach!

BELMONTE.

Gieb mir die Leiter.

PEDRILLO.

Ah, nur gemach!

BELMONTE.

Laß mich, laß mich sie befreyn![48]

PEDRILLO.

Lieber Herr, das kann nicht seyn.


Sieht nach der Uhr.


Ha! just ist es Mitternacht,

Stellen Sie sich auf die Wacht

Dort im Rosmaringesträuche,

Damit Niemand uns beschleiche.


Belmonte entfernt sich.


Nun, du liebe Mutter Nacht!

Nimm mich unter deinen Mantel,

Geht es schief mit unserm Handel,

Husch ich wie ein Blitz davon.

Sollte man uns attrapiren,

Gieng es an ein Stranguliren,

Hälf gar kein Kapituliren.


Er lauscht.


O weh! o weh!

Was rührt sich da?


Belmonte nähert sich.


O mach geschwind!

PEDRILLO.

Dort rauschte was.[49]

BELMONTE.

Es war der Wind.

Frisch zum Signale!

PEDRILLO.

Jetzt fang ich an.

BELMONTE.

Alles ist ruhig;

PEDRILLO.

Jetzt fang ich an.

BELMONTE.

Quälest mein klopfendes Herze so sehr!

PEDRILLO.

Vorsicht ist nöthig: nun hör ich nichts mehr.

Romanze.

Er accompagnirt sich zugleich auf der Mandoline.

1.


In Mohrenland gefangen war,

Ein Mädel hübsch und fein;

Sah roth und weiß, war schwarz von Haar,

Seufzt Tag und Nacht und weinte gar;

Wollt' gern erlöset seyn.


2.


Da kam aus fernem Land daher,

Ein junger Rittersmann;[50]

Dem jammerte das Mädchen sehr;

Jach rief er, wag ich Kopf und Ehr,

Wenn ich sie retten kann.


Noch rührt sich nichts, noch geht es gut.

BELMONTE.

Ende, ach ende!

PEDRILLO.

Nur auf der Hut!

Belmonte entfernt sich wieder.


PEDRILLO.


3.


Ich komm zu dir in finstrer Nacht,

Laß, Liebchen, husch mich ein!

Ich fürchte weder Schloß noch Wacht;

Holla! horch auf! um Mitternacht,

Sollst du erlöset seyn.


4.


Gesagt, gethan; Glock zwölfe stand

Der tapfre Ritter da;

Sanft reicht sie ihm die weiche Hand;

Fruh man die leere Zelle fand;

Fort war sie, hopsasa!

Pedrillo hustet einigemal, Konstanze öfnet das Fenster.
[51]

PEDRILLO.

Sie öfnet, sie öfnet!


Winkt Belmonte.


BELMONTE.

Ich komme, ich komme!

KONSTANZE am Fenster.

Belmonte, Belmonte!

BELMONTE.

Konstanze, Konstanze!

Pedrillo stellt die Leiter an Konstanzens Fenster, Belmonte steigt hinein; Pedrillo hält die Leiter.


PEDRILLO.

Welches Zittern, welches Zagen!

Kriegte man mich jetzt bey'm Kragen,

Giengs dem Hehler,

Wie dem Stehler,

Wär das bischen Kopf dahin.

Belmonte kommt mit Konstanzen unten zur Thüre heraus.


BELMONTE.

Nun, holder Engel!

Hab ich dich wieder.[52]

KONSTANZE.

Zagend und ängstlich

Beben die Glieder.

PEDRILLO.

Frisch nach dem Strande!

Ich folge gleich.


Belmonte und Konstanze ab.


Lieber Kupido,

Halt mir die Leiter!


Er steigt an Blondens Fenster.


Blondgen, ach Blondgen!

Oeffne das Fenster,

Hurtig mach auf!

Das Fenster wird geöfnet, er steigt hinein.


Quelle:
Johann André: Belmont und Constanze, oder: Die Entführung aus dem Serail. Leipzig 1781, S. 47-53.
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