Die unsere Seele, durchs Gesicht, zur Ehre Gottes aufmunternde Schönheit der Felder, im Frühlinge
Ps. XC, 12.

[11] Das Feld sey frölich, und alles, was darauf ist!


Aria.


Auf! lasset, dem gütigen Schöpfer zu Ehren,

Der itzt Natur und Welt verjüngt,

Der Sonn' und Frühling wiederbringt,

Die Lieder bewundernder Danckbarckeit hören!


Gott Lob! die Sonne kehret wieder;

Der Frühling kommt; der sanfte Zephyr schwingt,

Von ihrem Strahl beleb't, sein thauigtes Gefieder;

Sein lauer Hauch durchdringt der starren Tellus Schooß,

Erwärmt und schwängert sie; jedweder Erdenklos

Wird trächtig, und gebiert ein fast lebendig Grün,

Drauf tausend, tausend Blumen blühn.

Itzt lacht das Feld uns an, da es der Sonne Strahlen,

In dieser holden Frühlings-Zeit,

Mit Leben, Licht und Heiterkeit,

Erwärmen, schmücken und bemalen.


[12] Aria.


Meine Seele hör't im Sehen,

Wie, den Schöpfer zu erhöhen,

Alles jauchzet, alles lacht.

Höret nur!

Des beblühmten Frühlings Pracht

Ist die Sprache der Natur,

Die sie deutlich, durchs Gesicht,

Allenthalben mit uns spricht.


Es läßt,

Ob wäre die Natur, mit unsichtbaren Fingern,

Bemüht, das falbe Gelb, des alten Grases Rest,

Ohn Unterlaß zu mindern, zu verringern.

Sie schien

Fast einem Maler gleich, ein schönes Grün,

Um uns so Hertz als Augen zu erfrischen,

Zum schmutzigen beständig zuzumischen.


Des Feldes Pracht, die Schönheit einer Wiesen,

Wenn sie des Frühlings Hand beblühmt,

Wird nimmer gnug gerühmt,

Noch weniger dafür der Schöpfer gnug gepriesen.

Es liegt auf jedem Gras', es liegt auf jedem Blat',

Indem die äuß're Fläche glatt,

Vom Sonnen-Glantz ein weisser Schein,

Wodurch sie nicht nur grün, zugleich versilbert, seyn,

Wenn nun die Luft sich sanfte reget,

Und ihr beweglich Laub beweget;

So siehet man auf ihren regen Spitzen

Viel kleine Lichter lieblich blitzen.
[13]

Die Bluhmen, die ich in der Nähe,

So dicht, wie selbst das Gras, im frischen Grase, sehe;

Sind, wenn man ihre Farb' aufmercksam unterscheidet,

Im wunderschönen Schmuck gekleidet.

Sie scheinen, an Gestalt und Schimmer, kleine Sterne,

In tausendfachem Glantz und Schein,

Am grünen Firmament zu seyn.

Wann aber unsre Blick' ein wenig in die Ferne,

Und auf dem weichen Klee gemählig vorwärts, schiessen,

Sieht man der bunten Farben Pracht

Allmählig in einander fliessen,

Wodurch sie, in verwunderlichem Glantz,

Ein unvergleichlichs herrlichs Gantz,

Aus recht unzähligen gefärbten Theilchen, macht.


Aria.


Vor unsrer Felder Schmuck erröthen

Selbst Babylonische Tapeten,

Die eine kluge Nadel stickt.

Ein grüner Sammt mit Gold verbrämet,

Mit Perlen und Rubin besämet,

Wird, durch den Glantz, der uns're Wiesen schmückt,

Wie Glas durch Diamant, beschämet.


Itzt blüht und grünet Sand und Kies;

Es scheint das bunte Feld, vom Sonnen-Glantz bestrahlet,

Als eine Schilderey, worauf das Paradies

Mit solchen Farben abgemahlet,

Woran kein Edelstein, wie schön er spielet, reichet.[14]

Ja, wie ein Künstler oft, die Farben zu erhöhen,

Ein herrliches Gemähld mit Firniß überstreichet;

So streicht die Sonn' es auch mit solchem Firniß an;

Daß unser Auge zwar was Himmlisches drin sehen,

Doch dessen Eigenschaft kein Kiel beschreiben, kann.


Aria.


Sencke dich, zufried'nes Hertz,

In das Meer der Frühlings-Freude!

Aber lencke doch dabey,

In der ird'schen Augen-Weide,

Die Gedancken Himmelwärts!


Erwege doch ohn' Unterlaß,

Daß, wenns der Schöpfer nicht vergönnte,

Kein Blat, kein Strauch, kein Spierchen Gras,

Kein einzigs Blühmchen, wachsen könnte.


Aria.


Starre Dornen, rauhe Hecken,

Würden nur den Erden-Kreis

Mit verwirrten Stacheln decken,

Liesse Gott aus Seinen Tieffen

Nicht des Segens Regen trieffen.

Ihm allein sey Ruhm und Preis!


Betrachte, wie sein grosses Wort

Allein die Quelle dieser Welt,

Und daß dasselbe fort und fort

Sie unaufhörlich schafft, indem er sie erhält.


[15] Aria.


Durch das eine Wörtchen: Werde!

Ward die Erde.

Und aus dieses Wortes Kraft

Stammt noch ihre Dau'r und Güte,

Keimt der Same, sprießt die Blühte,

Fließt des Frühlings Lebens-Saft.


Bemercke,

Daß Gott, damit der Erde Pracht

Und seiner Allmacht Wunder-Wercke,

Zu deiner Freude möchten taugen,

Dich, durch die Spiegel deiner Augen,

Vor solcher Anmuht, sinnlich macht;

Da sonst, wofern du das Gesicht,

Die zwey so kleine Pünctgen, nicht

Von seiner Wunder-Hand empfangen;

Des Frühlings Schmuck, der Felder Prangen,

Samt aller Creaturen Heer,

Für dich, umsonst geschaffen wär'!


Aria.


Einziger Ursprung und Quelle der Freuden,

Geber der Sinnlichkeit, Schöpfer der Lust,

Meine von Anmuht entflammete Brust

Lodert vor Eifer, Dich würdig zu rühmen,

Da sich die Felder so lieblich beblühmen,

Da sich die Augen in Lustbarkeit weiden.


Quelle:
Barthold Heinrich Brockes: Auszug der vornehmsten Gedichte aus dem Irdischen Vergnügen in Gott. Stuttgart 1965, S. 11-16.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Irdisches Vergnügen in Gott
Irdisches Vergnügen in Gott: Erster und zweiter Teil
Irdisches Vergnügen in Gott: Dritter und Vierter Teil

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Elixiere des Teufels

Die Elixiere des Teufels

Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.

248 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon