|
[592] Im Winter füllt die Luft ein neblicht falbes Grau.
Im Frühling ist sie hell, warm, heiter, rein und blau.
Im Winter schnaubt der Nord, mit stürmerischer Wuth,
Zerschneidet uns die Haut, durchdringet Marck und Blut;
Im Frühling säuseln sanft und kühlen uns gelinde,
Mit Balsam-reichem Duft, die schmeichlend lauen Winde.
Im Winter drückt die Fluth, und hält den sanften Lauf
Ein schroff- und starres Eis, durch rauhe Scholle, auf.
Im Frühling gläntzet sie, als ein polirter Spiegel,
Und bildet Wunder-schön den Schmeltz beblühmter Hügel;
Sie rauscht und rieselt sanft, bald durch bestrahlte Felder,
Bald durch die grüne Nacht und Dä irung dunckler Wälder.
Im Winter ist das Feld entfärbet, öd', erstarrt.
Verwüstet, traurig, schwartz, wild, höckricht, Felsen-hart.
Im Lentzen ist es grün, beblühmt, ja Wunder-schön
Mit Korn und Klee bedeckt, und lieblich anzusehn.
Im Winter sieht der Wald gebund'nen Ruthen gleich.
Im Frühling ist er Laub- und Blüht- und Schatten-reich.
Im Winter ist so Feld, als Wald, von Vögeln leer.
Im Frühling füllt die Luft derselben klingend Heer
Mit lieblichem Getön. Die säurlich-süssen Früchte
Und mancherley den Gaum erquickende Gerichte
Raubt uns der rauhe Frost. Der Frühling sucht von neuen
Mit ihnen Aug' und Mund und Hertz uns zu erfreuen.
Der Wechsel bloß allein,
Zumahl wenn wir darin die Ordnung überlegen,[593]
Und der Natur Veränd'rungen erwegen,
Die unveränderlich; sollt' uns ein Zeuge seyn
Nicht nur von Gottes Macht und Weisheit; auch die Triebe
Von Seiner dem Geschöpf' erzeigten Wunder-Liebe
Sind klar hierin zu sehn: Denn da wir leider blind,
Im ruhigen Besitz, für alles Gute, sind;
So scheint der Wechsel uns, mit lieblicher Gewalt,
Durch Neuigkeit, was süß, noch süsser zu versüssen.
Damit wir der Geschöpf' Pracht, Farben und Gestalt
Mit mehr Empfindlichkeit geniessen.
Wenn sich der Sommer nie von unsrer Gegend trennte,
Wenn ein gerader Strahl die Felder immer brennte;
So würde, von dem Schaden nichts zu sagen,
Uns ein verdrießlichs Einerley,
Auch bey stets heiterm Wetter, plagen.
Indem ich dieß mit Lust und Danck betrachte,
Und, wie so angenehm der Wechsel sey,
Wie nöthig und wie gut, mit frohem Ernst beachte,
So fühl' ich allererst von neuen,
Daß unser Gott nicht bloß im Jahr uns viermahl nur
Mit Aenderung der Zeiten woll' erfreuen:
Es gönnet auch der Herrscher der Natur
In einem jeden Tag, uns vier mahl diese Lust;
Da Morgen, Mittag, Abend, Nacht
Uns gleichsam sich, wie jedem ja bewust,
Der es betrachten will,
Zum Lentzen, Sommer, Herbst und Winter macht.
Ach fühlt denn, schmeckt und seht, was Gott uns Gutes giebet:
Erkennt, wie väterlich und zärtlich Er uns liebet.
Und lasst uns, da so oft sich Lieb' und Huld erneuen,
Uns Seiner, wenigstens des Tages vier mahl, freuen!
Ausgewählte Ausgaben von
Irdisches Vergnügen in Gott
|
Buchempfehlung
Zwei satirische Erzählungen über menschliche Schwächen.
76 Seiten, 5.80 Euro