Gedankenvoll

[363] Ich weiß ein stilles Fensterlein

Liegt heimlich und versteckt,

Das hat mit Laub der grüne Wein

Und Ranken überdeckt.


Im Laube spielt der Sommerwind,

Die Rebe schwankt und nickt,

Dahinter sitzt ein hübsches Kind

Gedankenvoll und stickt.


Im jugendklaren Angesicht

Blüht wundersüß der Mund

Als wie ein Rosenknösplein licht

Früh in der Morgenstund.


Im Netzgeflecht das blonde Haar

Umfaßt ein braunes Band,

Das liebe blaue Augenpaar

Blickt sinnend auf die Hand.


Und 's Köpfchen scheint so still zu sein.

Ist doch ein Taubenschlag.

Gedanken fliegen aus und ein

Den lieben langen Tag.


Sie fliegen über Wald und Flur

Ins weite Land hinaus.

Ach, käm ein einzig Täubchen nur

Und flöge in mein Haus.

Quelle:
Wilhelm Busch: Sämtliche Werke, Herausgegeben v. Otto Nöldeke, Band 6, München 1943, S. 363-364.
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