Zehntens

Klausnerleben und Himmelfahrt

Klausnerleben und Himmelfahrt

[132] Der heilige Antonius, so wird berichtet,

Hat endlich ganz auf die Welt verzichtet;[132]

Ist tief, tief hinten im Wald gesessen,

Hat Tau getrunken und Moos gegessen,

Und sitzt und sitzt an diesem Ort

Und betet, bis er schier verdorrt

Und ihm zuletzt das wilde Kraut

Aus Nase und aus Ohren schaut.

Er sprach: »Von hier will ich nicht weichen,

Es käm' mir denn ein glaubhaft Zeichen!«


Klausnerleben und Himmelfahrt

Und siehe da! – Aus Waldes Mitten

Ein Wildschwein kommt dahergeschritten,


Klausnerleben und Himmelfahrt

Das wühlet emsig an der Stelle

Ein Brünnlein auf, gar rein und helle,[133]

Und wühlt mit Schnauben und mit Schnüffeln

Dazu hervor ein Häuflein Trüffeln. –

Der heilige Antonius, voll Preis und Dank,

Setzte sich nieder, aß und trank

Und sprach gerührt: »Du gutes Schwein,

Du sollst nun ewig bei mir sein!«


So lebten die zwei in Einigkeit

Hienieden auf Erden noch lange Zeit,


Klausnerleben und Himmelfahrt

Und starben endlich und starben zugleich

Und fuhren zusammen vors Himmelreich. –

»Au weih geschrien! Ein Schwein, ein Schwein!«

So huben die Juden an zu schrein;

Und auch die Türken kamen in Scharen

Und wollten sich gegen das Schwein verwahren.–
[134]

Klausnerleben und Himmelfahrt

Doch siehe! – Aus des Himmels Tor

Tritt unsre liebe Frau hervor.

Den blauen Mantel hält die Linke,

Die Rechte sieht man sanft erhoben,

Halb drohend, halb zum Gnadenwinke;

So steht sie da, von Glanz umwoben.


Klausnerleben und Himmelfahrt

[135] »Willkommen! Gehet ein in Frieden!

Hier wird kein Freund vom Freund geschieden.

Es kommt so manches Schaf herein,

Warum nicht auch ein braves Schwein!!«

Da grunzte das Schwein, die Englein sangen.

So sind sie beide hineingegangen.
[136]


Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 132-137.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der heilige Antonius von Padua.
Der heilige Antonius von Padua
Der heilige Antonius von Padua

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon