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[8] Sokrates, der alte Greis,
Sagte oft in tiefen Sorgen:
»Ach, wie viel ist doch verborgen,
Was man immer noch nicht weiß.«
Und so ist es. – Doch indessen
Darf man eines nicht vergessen:
Eines weiß man doch hienieden,
Nämlich, wenn man unzufrieden. –
Dies ist auch Tobias Knopp,
Und er ärgert sich darob.
Seine zwei Kanarienvögel
Die sind immer froh und kregel,
Während ihn so manches quält,
Weil es ihm bis dato fehlt.
Ja, die Zeit entfliehet schnell;
Knopp, du bist noch Junggesell! –
[8]
Zwar für Stiefel, Bett, Kaffee
Sorgt die gute Dorothee;
Und auch, wenn er dann und wann
Etwas nicht alleine kann,
Ist sie gleich darauf bedacht,
Daß sie es zurechte macht.
Doch ihm fehlt Zufriedenheit. –
Nur mit großer Traurigkeit
Bleibt er vor dem Spiegel stehn,
Um sein Bildnis zu besehn.
Vornerum ist alles blank;
Aber hinten, gottseidank,
Denkt er sich mit frohem Hoffen,
Wird noch manches angetroffen.
[9] Oh, wie ist der Schreck so groß!
Hinten ist erst recht nichts los;
Und auch hier tritt ohne Frage
Nur der pure Kopf zutage. –
Auch bemerkt er außerdem,
Was ihm gar nicht recht bequem,
Daß er um des Leibes Mitten
Längst die Wölbung überschritten,
Welche für den Speiseschlauch,
Bei natürlichem Gebrauch,
Wie zum Trinken, so zum Essen,
Festgesetzt und abgemessen. –
Doch es bietet die Natur
Hierfür eine sanfte Kur.[10]
Draußen, wo die Blumen sprießen,
Karrelsbader Salz genießen
Und melodisch sich bewegen,
Ist ein rechter Himmelssegen;
Und es steigert noch die Lust,
Wenn man immer sagt: du mußt.
Knopp, der sich dazu entschlossen,
Wandelt treu und unverdrossen.
Manchmal bleibt er sinnend stehn,
[11]
Manchmal kann ihn keiner sehn.
Aber bald so geht er wieder
Treubeflissen auf und nieder. –
Dieses treibt er vierzehn Tage;
Darnach steigt er auf die Waage,
Und da wird es freudig kund:
Heißa, minus zwanzig Pfund!
Wieder schwinden vierzehn Tage,
Wieder sitzt er auf der Waage,[12]
Autsch, nun ist ja offenbar
Alles wieder, wie es war.
Ach, so denkt er, diese Welt
Hat doch viel, was nicht gefällt.
Rosen, Tanten, Basen, Nelken
Sind genötigt zu verwelken;
Ach – und endlich auch durch mich
Macht man einen dicken Strich.
Auch von mir wird man es lesen:
Knopp war da und ist gewesen.
Ach, und keine Träne fließt
Aus dem Auge, was es liest;
Keiner wird, wenn ich begraben,
Unbequemlichkeiten haben;
Keine Seele wird geniert,
Weil man keinen Kummer spürt.
Dahingegen spricht man dann:
Was geht dieser Knopp uns an?
[13] Dies mag aber Knopp nicht leiden.
Beim Gedanken, so zu scheiden
In ein unverziertes Grab,
Drückt er eine Träne ab.
Sie liegt da, wo er gesessen,
Seinem Schmerze angemessen.
Dieses ist ja fürchterlich.
Also, Knopp, vermähle dich.
Mach dich auf und sieh dich um,
Reise mal 'n bissel rum.
Sieh mal dies und sieh mal das,
Und paß auf, du findest was.
Einfach ist für seine Zwecke
Das benötigte Gepäcke;
Und die brave Dorothee
Ruft: »Herr Knopp, nanu adjeh!«
[14]
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