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[340] 841. An Nanda Keßler
Wiedensahl 22. Nov. 91.
Das Familienbild, liebe Nanda!, in der Wiesenau – ein Garten, zwei Häuser, drei anmuthige Frauen darin – fast verkramt, so schien's, in der Rumpelkammer der Vergeßenheit – dann plötzlich wieder hervorgeholt und aufgestellt vor meinen leibhaftigen Augen – soll's noch mal weg? – (Nein, weg, ganz weg, geht nimmer!) – Oder soll's gestutzt, verkürzt, der alte Rahmen verkleinert werden? Eins weg daraus? Wegen einer liebenswürdigen Laune, die vorüberzieht, wie Wolken? Wie schmerzlich wär's, wie ungerecht!
Und ich bin am alten Fluß. Heut früh, als ich das Fenster aufmachte, als ich hinüber sah nach dem Rehburger Berge, der ganz in dichtem, undurchsichtigem Nebel lag, war mir's recht trüb zu Muth. Was kann ich nun thun,[340] als den Schlüßel holen und die Thüre öffnen zur inwendigen Welt, die ich so zögernd verlaßen, ob's da vielleicht heller und freundlicher aussieht, als draußen.
Leb wohl, liebe Nanda! Küß mir deine zwei goldlockichten Kinder, Alt und Sopran, und sei selbst auf das Herzlichste gegrüßt von deinem
alten Onkel
Wilhelm.