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[143] 1229. An Nanada Keßler
Mechtshausen 24. April 1899.
Meine liebe Nanda!
Ich danke dir für die freundlichen Zeilen, die du aus Italien an mich geschrieben hast. Dort muß es schön gewesen sein. Gewiß hast du dir viel[143] davon recht eindringlich gemerkt und bist nun mit deinen Kindern munter und vorläufig zufrieden in die Heimath zurück gekehrt.
Derweil du südlich im Sonnenschein herum spatziertest, haben wir hier im Norden recht unfreundliches Wetter gehabt. Ich war vier Wochen in Hattorf wo ich mich häuslich ganz still und angenehm unterhielt. Nur ein paar Tage waren so, daß ich hinaus gehen und über das schöne Wiesenthal hinweg in die Berge sehen konnte. Von Hattorf aus besuchte ich auch für knapp eine Woche meinen alten Freund in der Mühle zu Ebergötzen. Es kam sofort ein Schneegestöber und eine Kälte, wie sonst mitten im Winter; aber in der engen Stube saßen wir traulich rauchend und erzählten uns was, während Molly, das Hündchen, sich unter dem Ofen von seinen guten Werken ausruhte. Nämlich, es hatte fünf kleine Katzen, drei graue und zwei schwarze, auf's beste genährt und großgezogen, und die Zärtlichkeit hat noch immer nicht aufgehört.
Seit vierzehn Tagen bin ich wieder in Mechtshausen. Gottlob, fand ich im Hause die bislang ununterbrochen traurigen Gesundheitsverhältniße günstiger; eine Beßerung, die hoffentlich länger anhält.
Unser Harzfrühling erscheint langsam. Immer noch ist der Wind empfindlich kühl, einerlei, ob er von Süden oder Norden weht. Doch was auf den ersten Beeten gesät ist, geht auf. Die Rosen sind gepflanzt. Somit wäre denn das Sommertheater im Garten eröffnet; die Musikanten laßen sich hören in allen Zweigen. Da ich nothwendig dabei sein muß, werd ich so bald an's Reisen nicht denken.
Bei euch seh ich, in Gedanken, langbefreundete Gestalten unter den Bäumen wandeln.
Leb wohl, liebe Nanda! Tausend Grüße an euch Alle von
deinem alten
Onkel
Wilhelm.