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[179] Vers 15469–16021.
Der Laster Pflegerin und Dienerin,
Die »Trägheit« wir in schlichter Sprache heißen,
Vom Thor der Sinnenlust die Pförtnerin,
Zu fliehen und die Macht ihr zu entreißen,
Lernt Euch des graden Widerspiels befleißen;
Das heißt: seid thätig stets in allen Dingen,
Sonst fall't durch Trägheit Ihr in Satans Schlingen.
Er, der beständig auf der Lauer steht,
Mit tausend schlauen Stricken uns zu fangen,
Wird, wenn er uns im Müssiggang erspäht,
Mit leichter Müh' auch an sein Ziel gelangen;
Und eh' die Augen uns sind aufgegangen,
Hält er uns längst mit seiner Hand am Kragen.
Drum wirkt, und lernt dem Müssiggang entsagen.
Und wären wir von Todesfurcht auch frei,
So müßte dennoch uns Vernunft belehren
Daß Müssiggang des Lasters Anfang sei,
Und nicht das Mittel, unser Gut zu mehren.
Durch Arbeit Andrer sucht er sich zu nähren,[180]
Und führt uns, wie am Gängelband, dabei
Zum Schlaf, zur Trunksucht und zur Völlerei.
Damit ich wieder mich vom Müssiggang,
Der soviel Unheil bringt, zur Arbeit wende,
Hab' ich – soweit es meinem Fleiß gelang –
Euch übersetzt die folgende Legende
Vom ruhmgekrönten Leben, Leid und Ende
Der reinen Jungfrau mit der Ros' und Lilie;
Ich meine Dich, Du Märtyrin Cäcilie.
Du aller Jungfrau'n blüthenreichste Zier,
Von der St. Bernhard hat so schön gesungen,
Laß mich beginnen mit Gebet zu Dir!
Du Trost der Schwachen, sprich, wie hat bezwungen
Den Bösen und ihr Seelenheil errungen
Durch ihren Tod als Jungfrau Deine Magd,
Von welcher die Legende uns besagt?
Du, Deines Sohnes Tochter! Mutter, Maid!
Du Gnadenbronn, der Sünder macht genesen,
Du Trägerin von Gottes Herrlichkeit,
Du Niedrige, zur Hoheit auserlesen
Vor aller Welt, Du hast der Menschen Wesen
So sehr geadelt, daß in Fleisch und Blut
Den Sohn zu kleiden, Gott, der Herr, geruht.
Dein Segensschoß gab menschliche Gestalt
Der ew'gen Liebe, wie dem ew'gen Frieden,
Dem Lenker der dreieinigen Gewalt.
Ihn preist der Himmel; ihm lobsingt hienieden
Das Land und Meer. Dir aber ward beschieden,
Als makellose Maid in Zucht und Ehren
Den Schöpfer aller Wesen zu gebären.[181]
In Dir vereint Erhabenheit und Macht
Mit Gnade sich, mit Güte, mit Erbarmen.
Du hilfst nicht nur, o, Sonne voller Pracht,
Wenn wir Dich bitten; nein, Du nimmst der Armen
Auch ungefragt in Deiner liebewarmen
Barmherzigkeit Dich oft und willig an;
Du treuer Arzt der Seelen gehst voran!
Hilf auch mir Schwachen, sanfte Segensmagd,
So lang' ich an dies Jammerthal gebunden.
Hat doch das Weib von Canana gesagt,
Man gönne ja die Krumen gern den Hunden,
Die unterm Tisch des Herren sie gefunden.
Bin ich als Evas Sohn und sünd'ger Mann
Auch Dein nicht werth, nimm meinen Glauben an!
Todt ist der Glaube, der nicht wirkt und schafft.
Drum schenke mir Verstand und Raum zu Thaten!
Gieb holde, gnadenreiche Maid mir Kraft,
Und laß mich nicht ins dunkle Reich gerathen!
Nein, mach' Dich dort zu meinem Advocaten,
Wo endlos Dir gesungen wird Hosianna!
Du Mutter Christi, theures Kind der Anna!
Ins Dunkel meiner Seele gieße Licht,
Daß sie des Leibes Nähe nicht entehre!
Es drückt auf mich mit doppeltem Gewicht
Der Erdenlust und kranker Neigung Schwere.
O, Zufluchtshafen, Retterin gewähre
Gleich Allen, welche Leid und Kummer drücken,
Auch mir die Kraft, mich an mein Werk zu schicken!
Mir aber, bitt' ich, legt es nicht zur Last,
Wenn Ihr dies leset, was ich aufgeschrieben,[182]
Daß schmuck- und kunstlos ist mein Werk verfaßt.
Ich bin beim Sinn und bei dem Wort geblieben
Von dem, der, durch Verehrung angetrieben,
Uns ihren heil'gen Lebenslauf erzählte;
Darum verbessert, wo ich etwa fehlte.
Zuvörderst sei der Name St. Cäcilie
Von mir Euch der Legende nach erklärt.
Ihn übersetzen kann man: »Himmelslilie«,
Weil sie das Weiß der Keuschheit unversehrt
Erhalten hat und ehrlich sich bewährt.
Vielleicht gab guter Ruf und Herzensgüte
Den Namen ihr vom Duft und Grün der Blüthe.
Cäcilie kann auch heißen: »Weg für Blinde«,
Da stets ihr Beispiel lehrreich war. Doch scheint
– Wie ich nicht minder aufgeschrieben finde –
Daß dieser Name sinnbildlich vereint
Den »Himmel« mit der »Lia«; denn es meint
Der Himmel: »heil'ge Hoheit der Gedanken«,
Und Lia: »Thun und Wirken sonder Wanken.«
Vielleicht bedeutet – kann man ferner sagen –
Cäcilie: »Blindheitsmangel«; denn sie war
Ein helles Licht an Weisheit und Betragen.
Wenn nicht von »Himmel« und von »Leos« gar
Ihr Name kommt, da man mit Recht, fürwahr,
Als »Volkes Himmel« dieses wohlbewährte
Und weise Vorbild guter Thaten ehrte.
Denn »Leos« heißt: »das Volk«, und insofern
Die Menschen an dem Himmelszelt gewahren
Den hellen Schein von Sonne, Mond und Stern'
Erkannte man auch geistig aus dem klaren,[183]
Verständ'gen Sinn und gläubigem Gebahren,
So wie aus manchen Werken dieser Maid
Die Seelengröße und Vortrefflichkeit.
Wie nach der Weisen Meinung sich geschwind
Die Himmel rund im Kreise flammend schwingen,
So warst auch Du, Cäcilia, keusches Kind
Geschwind und thätig stets in allen Dingen
Und rund und ganz an Dauer im Vollbringen,
Und da wie Feuer Deine Liebe flammte,
So ist erklärt, woher Dein Name stammte.
Die hehre Maid – so sagt ihr Lebenslauf –
War hohem, edlem Römerblut entsprungen;
Vom Glauben Christi war von Kindheit auf
Des Evangeliums Botschaft ihr erklungen.
Von Furcht und Liebe zu dem Herrn durchdrungen,
Bat sie – wie aus dem Buch ich dies erfahren –
Beständig Gott, ihr Mädchenthum zu wahren.
In reifern Jahren ward zur Frau versprochen
Sie einem Jüngling, Valerian genannt;
Indessen als der Tag herangebrochen
Zum Eintritt in den heil'gen Ehestand,
Trug unter ihrem gold'nen Prachtgewand
Die herzensfromme, demuthsvolle Braut
Ein hären Hemd auf ihrer bloßen Haut.
Und als die Orgel in der Kirche schallte,
Sang sie im Herzen so zu Gott allein:
»Den Leib, o Herr, mir unbefleckt erhalte,
Laß meine Seele nicht verloren sein!«
Und ihn zu ehren, welcher Kreuzespein[184]
Für uns erlitt, hielt sie die strengsten Fasten,
Und wollte nimmer im Gebete rasten.
Es kam die Nacht. Mit dem Vermählten hatte
Nach alter Sitte sie zu Bett zu geh'n.
Doch heimlich sprach sie: »Lieber, theurer Gatte
Ich hab' Dir ein Gheimniß zu gesteh'n,
Und willst Du's hören, soll es gleich gescheh'n,
Doch unter der Bedingung, daß Du schwörst,
Nie zu verrathen, was von mir Du hörst.«
Und rasch beschworen ward von Valerian,
In keinem Falle je zu offenbaren,
Was ihm auch immer von ihr kund gethan.
Und dann erst sprach sie: »Von den Himmelsschaaren
Liebt mich ein Engel, welcher vor Gefahren
Mit größter Sorgfalt stets bei Tag und Nacht
Mich liebend schützt und meinen Leib bewacht.
Und fühlt er, daß mit sündigem Verlangen
Du jemals fleischlich meinen Leib berührt,
Wirst Du als Jüngling schon den Tod empfangen
Von seiner Hand als Lohn, der Dir gebührt.
Doch wenn Dich reine Liebe lenkt und führt,
Wird seine Liebe Dir, wie mir, zu eigen,
Und er wird sich im Himmelsglanz Dir zeigen.«
Und Valerian, dem Gott in das Gewissen
Geredet hatte, sprach: »Soll ich Dir trau'n,
Muß ich vom Dasein dieses Engels wissen,
Und läßt Du mich von Angesicht ihn schau'n,
Will ich Dir folgen; darauf magst Du bau'n.
Doch bist Du einem andern Mann ergeben,
Verliert Ihr beide durch mein Schwert das Leben.«
[185] Cäcilie gab zur Antwort: »Dein Verlangen
Sei Dir erfüllt. Du sollst den Engel seh'n,
Nachdem die Taufe Du als Christ empfangen.
Drei Meilen mußt aus dieser Stadt Du geh'n,
Zur Via Appia, wo die Häuser steh'n
Der armen Leute, und erzähle dort,
Was ich Dir sagen werde, Wort für Wort.
Zu ihnen rede: Ich, Cäcilie, sende
Zum guten, alten Urban heimlich Dich
In Seelennoth zum besten Zweck und Ende.
Und zu dem heiligen Urbanus sprich,
Wenn Du ihn siehst, was Du erfuhrst durch mich.
Hat er Verzeihung Deiner Schuld gewährt,
Siehst Du den Engel, eh' Du heimgekehrt.
Und schleunig eilte, wie sie ihm geboten,
Zum angewies'nen Platze Valerian,
Und fand dort in der Grabstatt heil'ger Todten
Auf seinen Knie'n den alten St. Urban;
Und als ihm seine Botschaft kund gethan,
Und er mit seinen Worten war zu Ende,
Hob froh Urbanus himmelan die Hände,
Und Thränen ließ er aus den Augen fallen.
›Allmächt'ger Gott und Christ!‹ – rief er bewegt –
Du Säer keuschen Rathes, Hirt von Allen,
Die Früchte, die der Keuschheit Samen trägt,
Den Du Cäcilien hast ins Herz gelegt,
Nimm hin! denn sieh'! so emsig wie die Bienen
Weiß ohne Falsch Dir Deine Magd zu dienen!«
»Der Gatte, dem sie kürzlich ward verbunden,
Der stolze Löwe, kommt, von ihr gesandt,[186]
So fromm zu mir, wie nur ein Lamm erfunden!«
So rief er aus – und mit den Worten stand
Vor Valerian im weißen Lichtgewand
Ein alter Mann, der in der Hand ein Buch
Mit reichverzierten, gold'nen Lettern trug.
Und Valerian schlug wie ein todter Mann
Vor Schrecken um. Empor aus seinem Falle
Hob ihn der Greis und fing zu lesen an:
»Ein Herr, ein Gott, ein Glaube für uns Alle!
Ein Christenthum, und überm Weltenalle
Für alle Menschen eine Vaterhand!«
Wie es im Buch mit gold'nen Lettern stand.
Nachdem er dies gelesen, frug der Alte:
»Und glaubst Du dies? Ja oder Nein? – Sag' an!« –
»Ich glaube dies!« – sprach Valerian – »und halte
Es für die größte Wahrheit, die ein Mann
Hier unterm Himmel nur erfassen kann!« –
Verschwunden war der Greis – und Valerian
Empfing die Taufe durch den Papst Urban.
Er kehrte heim, und sah, wie mit Cäcilien
In seinem Wohngemach ein Engel stand.
Und sieh', es trug von Rosen und von Lilien
Zwei Kronen dieser Engel in der Hand.
Und an Cäcilie – wenn ich's recht verstand –
Gab er die eine, und die andre Krone
Empfing ihr Gatte Valerian zum Lohne.
»Mit reinem Leib und unbefleckten Sinnen
Behütet diese Kronen stets!« – sprach er. –
»Ich trug sie aus dem Paradies von hinnen,
Und sie verwelken nun und nimmermehr,[187]
Und duften immer lieblich wie zeither.
Doch mit den Augen nur die Kronen sieht,
Wer keusch verbleibt und jede Sünde flieht.«
»Mein Valerian, weil Du Dich rasch bekehren
Zum Guten ließest, sprich, was Dir gefällt,
Und was Du forderst, will ich Dir gewähren!«
Er sprach: »Ein Bruder ist mir zugesellt,
Der mir der liebste Mensch ist auf der Welt;
Ich bitte Dich, ihm Deine Gunst zu schenken
Und ihn, wie mich, zur Wahrheit hinzulenken!«
Der Engel sprach: »Gott liebt, was Du erbeten.
Er reicht Euch beiden Märtyrpalmen dar,
Und in sein Reich der Ruhe sollt Ihr treten.«
Und es erschien, als er zu Ende war,
Tiburz, sein Bruder, welcher wunderbar
Ergriffen ward im innersten Gemüthe
Vom Duft der Lilien- und der Rosenblüthe.
»Mich wundert« – rief er – »daß zu dieser Zeit
Des Jahrs die Rosen und die Lilien spenden
Noch Wohlgeruch von solcher Lieblichkeit.
Ja, hielt ich selbst die Blumen in den Händen,
Es dränge mir der Duft, den sie entsenden,
Wohl schwerlich süßer in das Herz hinein.
Ich scheine wie verwandelt mir zu sein!«
»Zwei glänzend helle Kronen uns umwinden,
Schneeweiß und rosenroth,« – sprach Valerian. –
»Durch mein Gebet kannst Du den Duft empfinden,
Obschon sie Deine Blicke nimmer sah'n.
Doch werden Dir die Augen aufgethan,[188]
Sofern Du ohne Säumen Dich bekehrst
Zum rechten Glauben und die Wahrheit ehrst!«
»Wie?« – frug Tiburz – »sprichst Du im Ernst zu mir?
Ist mir ein Traum zu Ohren nur gekommen?«
»In Träumen, lieber Bruder, lebten wir,«
– Sprach Valerian – »jetzt hat zu unserm Frommen
Die Wahrheit Sitz in unsrer Brust genommen.«
»Wie hast Du dieses« – rief Tiburz – »erfahren?«
»Das will ich Dir« – sprach Jener – »offenbaren!«
»Ein Engel Gottes zeigte mir die Wahrheit,
Und leistest Du dem Götzendienst Verzicht,
Führt er auch Dich zur Reinheit und zur Klarheit.«
– Und von dem Wunder dieser Kronen spricht
Ambrosius in seinem Vorbericht;
Und also redet zu des Wunders Preise
Der edle Doctor in erhab'ner Weise:
Die Palme seines Märtyrthums zu tragen,
Gab Gott der heiligen Cäcilie Kraft,
Der Welt und ihrem Brautbett zu entsagen.
Denn in der Beichte gab unzweifelhaft
Tiburz und sie darüber Zeugenschaft,
Und Gott ließ güterreich mit duft'gen Kronen
Durch seinen Engel diese zwei belohnen.
So führte beide Männer diese Maid
Zum ew'gen Heil. Und dieses möge lehren
Der Welt den Werth der keuschen Frömmigkeit. –
Schlicht wußte dann Cäcilie zu erklären,
Daß alle Götzen eitle Dinge wären,[189]
Nur taub und stumm, und darum von Idolen
Sich fern zu halten, habe Gott befohlen.
»Wer das nicht glaubt, ist schlimmer als ein Vieh!«
– So rief Tiburz – »ich sag' es unumwunden!«
Und seine Brust vor Freuden küßte sie,
Beglückt, daß er die Wahrheit ausgefunden.
»Seit diesem Tage bist Du mir verbunden!«
Rief diese schöne segensreiche Maid,
Und also sprach sie zu ihm fernerweit:
»Wie durch die Liebe Christi« – hub sie an –
»Ich Deines Bruders Weib bin, soll bestehen
Ein Bund auch zwischen Dir und mir fortan.
Du hast gelernt, die Götzen zu verschmähen;
Mit Valerian magst Du zur Taufe gehen,
Und bist Du rein, so wirst Du auch hernach
Den Engel seh'n, von dem Dein Bruder sprach.«
»Mein lieber Bruder« – frug Tiburtius weiter –
»Wohin, zu wem, heißt Du mich geh'n? Sag' an!«
»Zu wem?« – sprach er – »komm', folge mir nur heiter,
Ich führe Dich zum heil'gen Papst Urban!«
»Zum Papst Urbanus, Bruder Valerian?!
Wie!« – rief Tiburz – »willst Du zu ihm mich bringen?
Das scheint mir äußerst wunderbar zu klingen.«
»Meinst Du Urbanus, welcher vom Gerichte
So manches Mal verurtheilt ward zum Tod,
Der in Verstecken haust und kaum dem Lichte
Sein Haupt zu zeigen wagt in seiner Noth,
Dem stets der Scheiterhaufen flammend droht?[190]
Wenn man mit ihm uns in Gesellschaft fände,
Wir kämen sicher zu dem gleichen Ende.«
»Und während wir, die Gottheit zu erkennen,
Die in dem Himmel sich verbirgt, uns müh'n,
Wird man uns hier auf dieser Welt verbrennen.«
Doch in das Wort fiel ihm Cäcilie kühn:
»Man würde, sich dem Tode zu entzieh'n,
Mein lieber Bruder, ganz mit Recht bestreben,
Gäb' es nach diesem nicht ein andres Leben.«
»Ein bess'res Leben ist an anderm Orte,
Und fürchte nicht, daß jemals Dir entgeht,
Was Gottes Sohn versprach durch seine Worte,
Des Vaters Sohn, der Alles, was besteht
Geschickt und sinnreich schuf. Denn es durchweht
Der Geist, der von dem Vater ausgegangen,
Auch unsre Seelen. – Dir braucht nicht zu bangen.«
»Durch Wort und Werke hat uns kund gegeben
Der Gottessohn, als er auf Erden war,
Des Menschen Heimat sei im andern Leben!«
»O, theure Schwester« – rief Tiburz – »fürwahr,
Noch eben sagtest Du ganz schlicht und klar,
In Wahrheit sei ein Herr und Gott allein,
Und nun giebst Du mir Zeugenschaft von Drei'n?«
»Auch damit« – sprach sie – »mach' ich Dich bekannt.
Sowie drei Kräfte sich im Mann vereinen,
Vorstellungstrieb, Gedächtniß und Verstand,
So müssen drei Personen auch erscheinen
Mit gleichem Recht im göttlichen Verband.«
Und hinterher begann sie, ihm die Lehren
Und Leiden Christi emsig zu erklären.[191]
Wie Gottes Sohn so mancherlei erlitten,
Dieweil auf Erden er als Gast geweilt,
Wie er Erlösung für die Welt erstritten,
Und Sündennoth und Sorgenlast geheilt,
Ward an Tiburtius von ihr mitgetheilt.
Und dann ging er mit glaubensfrohem Sinn
Zum Papst Urban mit seinem Bruder hin.
Der dankte Gott von Herzen froh und heiter,
Tauft ihn sofort und macht ihn dann bekannt
Mit allen Lehren als des Herren Streiter;
Worauf Tiburz so hohe Gnade fand,
Daß ihm kein Tag im Lauf der Zeit entschwand,
An dem er Gottes Engel nicht gesehen;
Und gern und schnell erhörte Gott sein Flehen.
Schwer hielt' es, nach der Reihe vorzutragen,
Wie viele Wunder Jesus für sie that.
Doch endlich schleppten – um es kurz zu sagen –
Die Schergen Rom's auf das Präfectorat
Sie vor Almachius der als Magistrat
Sie dann vernahm und bald den Fall durchblickte
Und zu dem Bilde Jupiters sie schickte.
Und er begann: »Mein Urtheilsspruch ist dieser:
Euch trifft der Tod, bringt Ihr nicht Opfer dar!«
Die Märtyrer indessen überwies er
An Maximus, der ein Cornicular
Und Offizier von dem Präfecten war,
Den, als die Heil'gen er von dannen führte,
Um sie das Mitleid bis zu Thränen rührte.
Und Halt gebot den Quälern, als vernommen
Er ihren Glauben, Maximus, und nahm[192]
Die Heil'gen in sein Haus, wo sie in frommen
Gesprächen weilten, bis der Abend kam.
Und Maximus ergriff die tiefste Scham
Mitsammt den Henkern, und der falschen Lehre
Entsagten sie und gaben Gott die Ehre.
Cäcilie kam mit Priestern in der Nacht,
Daß Allen sie die heil'ge Taufe gäben;
Und hinterher, sobald der Tag erwacht,
Begann sie fest die Stimme zu erheben:
»Wollt Ihr als echte Ritter Christi leben,
Entsagt dem Werk der Finsterniß fortan,
Und schnallt die Rüstung ew'ger Klarheit an.«
»Ja, eine große Schlacht habt Ihr geschlagen!
Jetzt ist's vollbracht! Ihr habt Euch treu bewährt!
Ihr werdet drum des Lebens Krone tragen,
Die ein gerechter Richter Euch bescheert.
Er giebt sie Euch; Ihr seid derselben werth!«
Dann führte, als gesprochen war dies Wort,
Man sie sogleich zum Opferplatze fort.
Indeß – um kurz die Sache zu beenden –
Sie wollten, angelangt an jenem Ort,
Nicht Weihrauch streu'n, noch Opfergaben spenden.
Nein, voll Ergebung knieten Beide dort
In Demuth nieder; worauf sie sofort
Enthauptet wurden. Doch zum Himmelreich
Entschwebten Beider Seelen auch zugleich.
Und Maximus stand tief gerührt daneben
Und sprach, vor Jammer weinend und vor Schmerz:
»Mit Engeln voller Licht und Klarheit schweben,[193]
Sah ich die Seelen Beider himmelwärts.«
Und dieses Wort bekehrte manches Herz.
Doch ließ Almachius mit Eisenruthen
Ihn dafür zücht'gen und zu Tode bluten.
Begraben ließ Cäcilie die Gebeine
Mit Valerian und mit Tiburz sodann
In einer Gruft und unter einem Steine.
Inzwischen trieb die Häscher, Mann für Mann,
Zur Jagd Almachius auf Cäcilie an,
Damit sie gleich vor seinem Angesichte
Den Opferdienst an Jupiter verrichte.
Es schenkten, durch ihr Wort sich rasch bekehrend,
Indessen jene vollen Glauben ihr,
Und schrieen unter Thränen immerwährend:
»Christ, Gottes Sohn, Du bleibest für und für
Der wahre Gott! – So denken Alle wir.
Dir dient die beste Magd. An Dir den Glauben
Soll selbst der Tod, der uns bedroht, nicht rauben.«
Almachius hörte, was sich zugetragen
Und lud Cäcilie vor, und wandte sich
Sodann zunächst an sie mit dem Befragen:
»Was bist Du für ein Frauenzimmer? – Sprich!«
Und sie begann: »Ein Edelweib bin ich!«
»Ich spreche« – rief er – »ob die Frage schon
Dich kränken mag, von Glauben und Rel'gion.«
»Nun, dann befrugst Du mich höchst thöricht eben.
Fürwahr, auf eine Frage« – sprach sie – »kann
Ich eine Antwort nur, nicht zweie geben.«
Ihr fiel ins Wort Almachius und begann:[194]
»Von wannen kommt die Frechheit Dir? – Sag' an!«
»Von wannen?« – sprach sie – »mir giebt Muth dazu
Des Glaubens Kraft und des Gewissens Ruh'!«
»Wie?« – frug Almachius – »fühlst Du keinen Schrecken
Vor meiner Macht?« – Sie aber sprach: »Nicht leicht
Wird Deine Stärke Furcht in mir erwecken,
Da Menschenmacht, soweit sie immer reicht,
Nur einer windgefüllten Blase gleicht,
Die, wenn der Nadel Spitze sie durchsticht,
Den Halt verliert und rasch zusammenbricht.«
»Mit Unrecht« – sprach er – »hast Du angefangen,
Und störrisch hältst Du an dem Unrecht fest.
Denn solltest Du nicht wissen, daß ergangen
Von unsern Fürsten ist ein Manifest,
Das Euch die Strafen, die Euch droh'n, erläßt
Und ungestörten Frieden Euch gewährt,
Sofern Ihr Christum ferner nicht verehrt?«
»Es irren Eure Fürsten und der Adel«
– Cäcilie sprach – »und übel angewandt
Wird das Gesetz! – Ihr wißt, uns trifft kein Tadel,
Denn unsere Unschuld ist Euch wohlbekannt.
Nach Christi Namen werden wir genannt;
Und daß von ihm wir mit Verehrung sprechen,
Das macht Ihr uns zum Schimpf und zum Verbrechen.«
»Wir kennen ihn als tugendhaft und rein;
Wie sollten wir ihn zu verläugnen wagen?«
Almachius rief: »Entscheide zwischen zwei'n
Kein andrer Weg bleibt für Dich einzuschlagen,
Als opfern, oder Christum zu entsagen!«[195]
Indessen lächelnd gab darauf Bescheid
Die heil'ge, schöne, segensvolle Maid:
»O, Richter, fein verdrehst Du Deine Sachen!
Soll ich entsagen meiner Seligkeit?
Wie, willst Du zur Verbrecherin mich machen?
O, seht ihn an, wie vor Verlegenheit
Er im Gerichte heuchelt, wüthet, schreit!«
»Elende!« – rief Almachius aufgebracht –
»Du kennst noch nicht den Umfang meiner Macht!«
»Ward von den mächt'gen Fürsten mir gegeben
Die Vollmacht nicht und die Autorität,
Um zu entscheiden zwischen Tod und Leben?
Was redest Du so stolz und aufgebläht?«
Sie sprach: »Ich rede standfest nur; mir steht
Durchaus nicht an, mich stolz vor Dir zu brüsten,
Als Laster hassen allen Stolz wir Christen.«
»Doch wenn zu hören Dir der Muth nicht fehlt,
Will ich Dir nicht die Wahrheit vorenthalten.
Du sprichst: die Fürsten hätten Dich erwählt
Und ausgestattet mit den Amtsgewalten,
Um über Tod und Leben frei zu schalten.
Du kannst allein nur in den Tod uns senden,
Doch andre Vollmacht hast Du nicht in Händen.«
»Du magst zwar sagen, daß vom Halsgericht
Die Fürsten zum Verwalter Dich bestellten,
Indessen mehr Gewalt besitzt Du nicht.«
Almachius rief: »Hör' auf mit Deinem Schelten!
Zum Opfer geh'! Ich werde nicht entgelten[196]
An Dir Dein Unrecht. Denn ertragen kann
Ich dieses leicht als Philosoph und Mann.«
»Doch, daß den Göttern Schmähung wiederfuhr
Aus Deinem Munde, darf ich nicht ertragen!«
Cäcilie sprach: »Spitzfind'ge Creatur!
Ich sah aus jedem Worte Deiner Fragen
Seit lange schon Dein albernes Betragen.
In jeder Art bist Du erkannt von mir
Als eitler Richter, grober Officier!«
»Nichts fehlt zum Sehen Deinem Augenpaar,
Als nur das Licht. Denn, was wir Alle kennen
Als einen Stein ganz zweifellos und klar,
Will Dir belieben, einen Gott zu nennen.
Berühr' ihn nur, und Du mußt fühlen können
Mit Deiner Hand, daß es ein Stein nur ist,
Obschon Du blind auf beiden Augen bist.«
»O, Scham! daß Du den Leuten dienen mußt
Durch Deine Thorheit zum Gespött und Hohne!
Denn allgemein ist Jeder sich bewußt,
Daß hoch im Himmel Gott allmächtig throne.
Und diese Bilder mußt Du zweifelsohne
Für sich und Dich ganz nutzlos doch erkennen,
Nicht einen Heller sind sie werth zu nennen!«
Dies sagte sie und manches andre Wort.
Doch wüthend hieß er sie nach Hause führen,
Und um sie zu verbrennen, alsofort
Ein Feuer unter ihrem Bade schüren.
Man eilte, die Befehle auszuführen.
Sie wurde schleunigst in ein Bad gebracht,
Worunter Feuer brannte Tag und Nacht.[197]
Die lange Nacht, sowie am nächsten Tage
– War auch das Bad und Feuer noch so heiß –
Blieb sie stets kalt und fühlte keine Plage,
Und sie vergoß nicht einen Tropfen Schweiß,
Wiewohl auf des Almachius Geheiß,
Der tückisch seine Schergen abgesandt,
Sie ihren Tod im Bade dennoch fand.
Geführt nach ihrem Nacken wurden drei
Verschied'ne Streiche von dem Henkersknechte;
Und dennoch brach der Wirbel nicht entzwei.
Nun aber galt in jener Zeit zu Rechte,
Wer einen Menschen nicht ums Leben brächte,
Nachdem er dreimal auf ihn zugeschlagen,
Der dürfe nicht zum vierten Mal es wagen.
Halb todt ließ die im Nacken schwer Verletzte
Daher der Henker liegen, und verschwand.
Doch manches Tuch mit ihrem Blute netzte
Die Schaar der Christen, welche sie umstand.
Und trotz der Qualen fuhr sie unverwandt
Drei Tage fort, die theuren Glaubenslehren
Zu predigen und ihnen zu erklären.
Sie schenkte ihnen ihr gesammtes Erbe,
Und wies sie auf den Papst Urbanus an,
Und sprach: »O, Himmelskönig, eh' ich sterbe
Gewähre mir drei Tage noch fortan,
Daß für ihr Seelenheil ich beten kann,
Und eine Kirche Dir auf ew'ge Zeiten
Vermag aus meinem Hause zu bereiten.«
Mit seinen Diaconen holte leise
Zur Nacht der heil'ge Urban ihr Gebein,[198]
Und senkt' es dann in feierlicher Weise
Zu andern Heil'gen auf dem Friedhof ein.
Zur »St. Cäcilienkirche« ließ er weih'n
Ihr Haus; und dort verehren noch bis heute
Christ und die Heil'ge andachtsvoll die Leute.
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