Erster Auftritt

[21] Der König. Die Herzogin von Burgund. Adolar. Lysiart. Fürsten. Fürstinnen. Grafen. Ritter und Damen. Pagen. Herolde. Trabanten. Soldaten. Tänzer und Tänzerinnen.

[21] Der König sitzt rechts vorn auf dem Thron. Zu seiner Linken stehen die älteren Ehrendamen, zu seiner Rechten die Fürsten. Hinter dem Sitz des Königs stehen zwei Herolde mit goldenen Stäben. In nächster Nähe des Königs sechs Pagen; je zwei stehen zur Rechten und Linken des Thrones, zwei sitzen auf den Stufen desselben; der links Sitzende hält ein rotes Kissen, auf welchem Adolar später kniet; der rechts Sitzende trägt auf einem roten Kissen die goldene Zither, die er später Adolar überreicht.

Die Herzogin von Burgund sitzt links vorn auf dem Thron. Hinter ihrem Sitz stehen die Grafen; links von ihrem Thron die Ehrendamen. Zu jeder Seite des Thrones steht ein Page: der rechts Stehende hält auf rotem Kissen einen goldenen Lorbeerkranz; der links Stehende ebenso einen roten Rosenkranz.

Adolar steht zur Linken des Königlichen Thrones.

Lysiart ebenso zur Linken des Thrones der Herzogin von Burgund.

Alle Männer mit bedecktem Haupte.

Es ist Tag.

Rechts und links vom Darsteller.

Nr. 1. Introduktion und Reigen.


CHOR DER FRAUEN.

Dem Frieden Heil! dem Frieden Heil!

Dem Frieden Heil nach Sturmestagen!

Heil dieser Feier reiner Lust!

Des Helden Herz in starker Brust

Darf nun für sanfte Freuden schlagen.

Dem Frieden Heil! dem Frieden Heil!

Die Hofdamen wenden sich den hinter ihnen stehenden Rittern zu.

Die Ritter überreichen mit einer Verbeugung den Damen die Blumensträuße.

Die Hofdamen danken mit tiefer Verneigung.

Die Herren und Damen vom Ballett verfahren in derselben Weise.

Die Ehrendamen, Fürsten und Grafen, Adolar und Lysiart sind an dieser Ceremonie nicht beteiligt.


CHOR DER RITTER.

Den Frauen Heil! den Frauen Heil!

Den Frauen Heil! den zarten Schönen,

Den Blumen in des Lebens Kranz!

Wohl ringt der Mut nach Siegesglanz,

Doch Liebe muß das Leben krönen.[22]

ALLE.

Der Liebe Preis erfchall' in süßen Tönen,

Doch Treue reicht den schönsten Lebenskranz.

Dem Frieden Heil! dem Frieden Heil!

Ernster Reigen.

Die vier Herolde in der Mitte hinten öffnen die Reihe.

Die Herren und Damen vom Ballett treten in den Vordergrund, führen einen ernsten Tanz aus und treten nach dessen Beendigung in ihre frühere Stellung zurück.

Recitativ.


KÖNIG.

Mein Adolar, so fern dem heitern Reigen,

So trübe bei des Festes Lust?

ADOLAR tritt etwas nach der Mitte vor.

Nur Sehnsucht herrscht in meiner Brust,

Ihr muß sich selbst die Freude neigen.

KÖNIG.

Erheitre dich!

LYSIART für sich.

O Sorg' um einen Knaben!

KÖNIG.

Beglückend Wiedersehn ist nah!

Weilt deine Braut in Nevers?

ADOLAR.

Ja, mein König.

KÖNIG.

Heut' noch soll sie Kunde haben,

Bald soll ihr Anblick dich erfreun,

Sie wird der Schmuck des Hofes sein.

ADOLAR.

Liebreichster König!

König winkt dem auf den Stufen des Thrones rechts sitzenden Pagen.

Der vordere Königspage erhebt sich und tritt zu

Adolar vor.


KÖNIG.

Treuer Adolar!

Der froh zur Seite mir im Kampfe war,

Sei hier auch froh, es töne diesem Kreise

Ein Minnelied zu Euryanthes Preise.

Adolar zieht die Handschuhe ab, legt sie auf das Kissen des Pagen und ergreift die Zither; dann nimmt er die Mitte.

Der vordere Königspage setzt sich wieder auf die Stufen.

[23] Nr. 2. Romanze.


ADOLAR.

Unter blüh'nden Mandelbäumen,

An der Loire grünem Strand,

O wie selig ist's zu träumen,

Wo ich meine Liebe fand.

Sie, die Reine, Eine, Meine!

Keusch wie Schnee, wie Rosen mild;

Unter blühn'den Mandelbäumen

Schwebt um mich ihr süßes Bild.


Bei dem goldnen Licht der Sterne,

An der Loire Blütenstrand,

Gab der reinsten Liebe gerne

Augenstern ein Himmelspfand.

Selig, minnig, hold und innig,

Aug' in Auge, Mund an Mund;

Bei dem Leuchten ew'ger Sterne

Gab sich Herz dem Herzen kund!


Heil'ger Treue schönste Rose

An der Loire Blumenrand,

Ob auch Sturm und Welle tose,

Blühest du, des Lenzes Pfand!

Zarte, Reine, Süße, Meine!

Du mit mir ganz Ein und Mein:

Heil'ger Treue schönste Rose

Blüht in deiner Brust allein!

Der König und die Herzogin von Burgundg geben nach Beendigung der Romanze Adolar ihren Beifall zu erkennen.

Die Herzogin von Burgund winkt nach hinten.

Eine Solotänzerin tritt mit den drei andern aus der Mitte zu Adolar vor.

Die beiden Burgunderpagen treten nach der Mitte zu Adolar.

Die beiden Königspagen erheben sich und nähern sich Adolar ebenso.[24]

Die drei Tänzerinnen stehen im Halbkreis um die Mittelgruppe.

Die Solotänzerin nimmt den goldenen Lorbeerkranz von dem Kissen des hintern Burgunderpagen und schmückt Adolars Zither damit, indem sie den Kranz auf den Hals des Instrumentes hängt.

Der hintere Burgunderpage tritt nach links zum Thron zurück.

Adolar legt die bekränzte Zither auf das Kissen des vordern Königspagen, indem er gleichzeitig von dem Kissen seine Handschuhe nimmt.

Der vordere Königspage tritt nach rechts an seinen Platz zurück.

Der hintere Königspage hat inzwischen sein Kissen vor Adolar niedergelegt.

Adolar kniet darauf nieder und entblößt sein Haupt.

Die Solotänzerin nimmt vom Kissen des vordern Burgunderpagen den Rosenkranz, setzt ihn Adolar auf und tritt nach einer Verbeugung gegen die Herzogin von Burgund mit den drei Tänzerinnen an ihren Platz Mitte hinten zurück.

Der vordere Burgunderpage tritt nach links zum Thron zurück.

Adolar erhebt sich.

Der hintere Königspage nimmt das Kissen, auf welchem Adolar kniete, auf.

Adolar verneigt sich ehrfurchtsvoll zuerst vor der Herzogin von Burgund, dann vor dem König, nimmt den Kranz von seinem Haupt und legt ihn auf das Kissen des hintern Königspagen.

Der hintere Königspage tritt nach rechts an seinen Platz zurück.

Adolar bedeckt sich wieder und nimmt seinen frühern Platz in der Nähe des Königlichen Thrones wieder ein.

Lysiart verfolgt den Vorgang mit neidischen Blicken.

Nr. 3. Chor und Recitativ.


Heil Euryanth'! der Lieblichsten der Schönen,

Der Liebe Heil, in reiner Unschuld Glanz!

Dich, Held und Sänger, müsse Ruhm bekrönen,

Doch Treue reicht den schönsten Lebenskranz.

[25] Recitativ.


LYSIART für sich.

Ich trag' es nicht!


Laut, indem er nach der Mitte etwas vor tritt.


Hör' an, Graf Adolar,

Du hast uns hoch ergötzt mit dem Gesang,

Wo alle danken, nimm auch meinen Dank!

Kein Sänger ringt den Preis dir ab, fürwahr,

Vergeuden könntest du getrost dein Erbe,

Die Zither sorgt, daß nicht ihr Held verderbe!

ADOLAR.

Gern, Lysiart, üb' ich mich in sanften Weisen,

Für Mißlaut taugt mein gut gestimmtes Eisen.

Der König und die Herzogin von Burgund erheben sich.


LYSIART.

Was zürnst du gleich? Die Weise tadl' ich nicht,

Doch wohl die Worte vom Gedicht!

Hör' auf, der Frauen Treu' so hoch zu preisen;

Des Meeres Grund hegt Perlen, makelrein,

Des Weibes Brust schließt keine Treue ein.

Die Herzogin, die Ehrendamen, die Hofdamen, die Burgunderpagen, die Tänzer und die Tänzerinnen, die Figurantenpaare verlassen erzürnt durch das Mittelportal den Saal.

Die Königsherolde nehmen hinten Mitte Aufstellung.

Die Königspagen verharren in ihrer Stellung.

Die Fürsten, Grafen und Ritter füllen in erregten Gruppen den Mittelgrund.


Quelle:
Carl Maria von Weber: Euryanthe. Leipzig [o.J.], S. 21-26.
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