Dritter Auftritt

[13] Lisette, Philipp.


LISETTE. Was ist denn das für ein alter hübscher Herr? Er sieht so freundlich aus; was hat er denn für einen Sohn?

PHILIPP. O, es ist der beste Mann von der Welt! Sein größter Fehler ist, daß er zu gut ist. Er denket immer von allen Leuten das Beste. Redet jemand mit ihm, und giebt ihm irgend einen Rath; gleich ist er seiner Meynung: wenn aber ein anderer nachkömmt, der ganz entgegengesetzter Meynung ist; so läßt er sich[13] wieder anders überreden. Wenn man ihm etwas zuwider thut, so wird er, bey aller seiner Güte, doch manchmal hitzig. Ich habe es schon etlichemal nachdrücklich empfunden: aber sein Zorn währet nicht länger, als bis die Meynung, die ihn böse machet, von einer andern verdrungen wird; und das kann man leicht thun. Kurz, er ist ein Mann, den man herum drehen kann, wie man will, ungeachtet er sonst nicht eben so einfältig ist; und das kömmt bloß daher, weil er auf keinen Menschen einiges Mistrauen setzen kann. Nun rathe einmal, wer sein Sohn ist?

LISETTE. O rathe du selbst! Ich komme hieher, mit dir zu schwatzen; die Zeit ist kostbar; und bey mei ner ersten Frage hältst du mir eine Predigt, ohne mir ein Wort von dem zu sagen, was ich fragte.

PHILIPP. Werde nur nicht böse! Ehe ich dich böse machte, sagte ich dir mehr, als ich weiß. Das ist meines jungen gnädigen Herrn –

LISETTE. Was? Herrn Timants Vater? Nun, der Sohn ist dem Vater nicht nachgeschlagen. Aber was für ein guter Wind hat ihn denn hieher gebracht?

PHILIPP. Ja, mein liebstes Lisettchen, alles mußt du doch nicht aus mir zu fragen denken. Siehst du, ich bin verschwiegen, ohne mich zu rühmen; ich habe noch niemals meines Herrn Geheimnisse ausgeschwatzt, wenn man mich nicht recht sehr darum gebethen hat. Siehst du, ich bin verschwiegen!

LISETTE. Nun, wenn ich dich aber recht sehr bitte! Du weißt wohl, wenn du mich einmal böse machst, daß du mich so bald nicht wieder gut kriegest. Ich bin auch verschwiegen; ich will es keinem Menschen sagen; ich kann so gut reinen Mund halten, als du.

PHILIPP. Meine Verschwiegenheit fängt an zu wanken. Nun, was giebst du mir aber dafür, daß ich es darauf wage, und mich vor einigen Stockschlägen nicht fürchte? Ein Mäulchen!


Er will sie küssen.


LISETTE. O sey klug, wenn dir es beliebt. Nein, deine Geheimnisse sind mir zu theuer: um den Preis mag ich sie nicht wissen.

PHILIPP. Nun, so sey doch wenigstens so billig, einen Tausch anzunehmen, den ich dir vorschlagen werde.

LISETTE. Einen Tausch! Was für einen?[14]

PHILIPP. Du sollst mir für meine Neuigkeit etliche Kleinigkeiten von deinem gnädigen Fräulein sagen. Du weißt, daß mein Herr sie liebet; und ich wäre doch neugierig, zu erfahren, was sie von ihm denket und ob sie ihn wieder liebet.

LISETTE. O dazu bin ich zu verschwiegen! Was sollte ich dir aber auch wohl sagen? Ich weiß nicht, daß dein Herr Climenen liebet. Würde er sie denn sonst so quälen? Und ob sie verliebt ist, kann ich auch nicht wissen. Das weiß ich wohl, daß sie zerstreut ist, seufzet, bisweilen erröthet, bisweilen blaß wird. Neulich kam ich ungefähr dazu, da sie sich die Thränen abtrocknete. Ob das nun Liebe bedeutet, weiß ich nicht.

PHILIPP. Das geht gut! Wenn das ist, so hat mein Herr gewonnen. Hat sie nicht manchmal von ihm mit dir geredet?

LISETTE. O ja, wenn es gerade Gelegenheit giebt. Sie saget: Der Mensch hat viel gute Eigenschaften, aber seine mistrauische Art ist unerträglich. Neulich hörte ich, daß sie, da sie allein zu seyn glaubte – doch nein! ich will es dir nicht erzählen; du bist zu schwatzhaft.

PHILIPP. O gar nicht! fahre nur fort, sie glaubte allein zu seyn.

LISETTE. Ja, und mit einem tiefen Seufzer nannte sie den Namen –

PHILIPP. Meines Herrn?

LISETTE. Nein, Damons Namen, des besten Freundes von deinem Herrn: was das mag zu bedeuten haben?

PHILIPP. O für meinen Herrn bedeutet es gewiß nichts Gutes. Ich habe auch an Damon eine Zeit her was besonders bemerket. Er ist traurig, tiefsinnig und ganz blaß, redet wenig, kömmt seltner zu meinem Herrn, als sonst, sieht Climenen manchmal heimlich an und seufzet: aber darein weiß ich mich nicht zu finden, daß er Climenens Gesellschaft vermeidet, wenn er nur kann, und sich oft recht dazu zwingt, sie nicht anzusehen. Was sollen wir nun aus allem diesen schließen?

LISETTE. Daß sie sich entweder sehr verstellen, oder einander lieben, ohne sich zu getrauen, einander ihre Liebe zu gestehen. Vielleicht will Damon aus Freundschaft für deinen Herrn ihm seine Liebste nicht abspänstig machen. Aber heraus muß ich es kriegen, es mag gehen, wie es will. Ich weiß schon, wie ich es anfangen will, daß ich allen beyden ihre Geheimnisse heraus locke. Aber sage nun auch dein Geheimniß![15]

PHILIPP. St. St. mein Herr kömmt ganz leise herein geschlichen. Er will uns vermuthlich belauschen. Lebe wohl!

LISETTE. Lebe wohl! ich muß zu meinem Fräulein.


Quelle:
Johann Friedrich von Cronegk: Der Misstrauische. Berlin 1969, S. 13-16.
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