Fünfter Auftritt

[19] Timant, Philipp, Damon.


TIMANT. O mein Freund! Nehmen Sie Theil an meiner Verzweifelung. Ich bin außer mir –

DAMON. In was für einem betrübten Zustand muß ich Sie antreffen? Sie sehen erschrocken aus! Hat Sie ein Unglück betroffen, aus dem Ihnen wahre Freundschaft, mein Vermögen, mein Leben, helfen kann: so sagen Sie es. Kann ich Ihnen beystehen? – Sie schweigen, Sie denken nach.

TIMANT. Ihre Anerbiethungen sind groß! Ich bin Ihnen dafür verbunden.


Zu Philippen, halb leise.


Ich weiß nicht, ob ich ihm trauen und ihm die Sache melden darf.

DAMON. Sie werden auf einmal nachdenkend und kaltsinnig! Sollte ich unglücklich genug gewesen seyn, Sie wider meinen Willen zu beleidigen?

TIMANT. Nein, so viel ich weiß. Ich traue Ihrer Freundschaft. Hören Sie mein Unglück! Mein Vater ist gekommen!

DAMON. Und Sie nennen es ein Unglück, einen Vater zu sehen, den Sie in der That lieben, und den Sie so lange nicht gesehen haben?

TIMANT. Ach! Sie wissen mein Unglück nicht; er ist gekommen, in der Absicht, mich zu verheurathen! Mich von meiner liebsten Climene zu reißen!

DAMON. Was höre ich? Er will Sie verheurathen? Ist es möglich? Er wird Ihnen keine schlechte Partey ausgesucht haben. Und woher wissen Sie diese Nachricht?

TIMANT. Sie sehen bey einer für mich so betrübten Zeitung mehr verwirrt, als gerühret, aus! Mein Schmerz macht keinen Eindruck[19] bey Ihnen. Climenen soll ich verlieren! Und Sie sagen mir den grausamen Trostgrund vor, mein Vater werde mir nichts schlechtes ausgesucht haben! Was soll ich von Ihnen denken?

DAMON. Daß mich Ihr Schmerz wirklich rühret! daß ich suchen werde, Ihren Herrn Vater, der sonst ein Freund von dem meinigen war, auf andere Gedanken zu bringen! daß ich mein Leben aufopfern werde, um meinen Freund glücklich zu machen!

TIMANT. Liebenswürdige Climene, dich soll ich verlieren? Wie reizend ist sie nicht! Sie kennen sie, liebster Freund! Wie bezaubernd sind nicht ihre Blicke! Sagen Sie es selbst.

DAMON. Ja! sie sind es.

TIMANT. Ihre Tugend! ihr Verstand! ihr edles Herz! die großmüthigste Empfindung! alles macht sie vollkommen.

DAMON. Die Liebe verblendet Sie vielleicht auch zu sehr! Sie hat vielleicht einige kleine Fehler!

TIMANT. Was sagen Sie? Climene Fehler! O das können Sie unmöglich ohne Absicht sagen. Sie kennen sie zu gut, um ihre Vorzüge nicht einzusehen! Ihr unschuldiges liebenswürdiges Herz! Doch Sie haben vielleicht nicht ganz unrecht; vielleicht ist vieles Verstellung; sie hat vielleicht Fehler, die Sie wissen, und ich nicht. Entdecken Sie mir es, liebster Freund; reden Sie offenherzig. Betriege ich mich in der guten Meynung, die ich von ihr habe? Ist ihr Herz nicht so edel, als ich wünsche?

DAMON. Ihr Herz nicht edel! Können Sie dieses von der liebenswürdigsten Person ihres Geschlechtes denken? Beleidigen Sie die vollkommenste Seele nicht mit einem so unwürdigen Verdachte.

TIMANT. Kann man ein so liebenswürdiges Kind verlieren, ohne vor Schmerzen zu sterben?

DAMON. Nein, man kann es nicht.

TIMANT. Sie seufzen, Sie sind gerühret!

PHILIPP. Der gnädige Herr Vater kömmt, und Herr Geronte auch.

TIMANT. O Himmel! Sind sie schon da!


Zu Damon.


Helfen Sie mir auf alle ihre Reden und Gebärden Acht geben.


Quelle:
Johann Friedrich von Cronegk: Der Misstrauische. Berlin 1969, S. 19-20.
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