Vierter Auftritt

[32] Timant, Philipp.


TIMANT. Undankbare! Es ist ganz gewiß, daß sie völlig mit mir brechen will. So kaltsinnig hat sie mir noch nie begegnet: doch nun werde ich hinter diese Geheimnisse kommen. Dieses Papier, das Lisetten entfallen ist, enthält gewiß wichtige Dinge. Vielleicht werde ich daraus erfahren, wer mir diese Begegnungen und die lange Rede, mit der mich Climene abgewiesen hat, zuwege gebracht hat.

PHILIPP. Wie ein Liebesbrief ist es eben nicht zusammen gelegt! und wozu soll Lisette die Briefe ihres Fräuleins bey sich tragen?

TIMANT. Das verstehst du nicht. Sie hat ihn vielleicht jemanden zustellen sollen, oder hat ihn von jemanden bekommen.


Er liest.


Von mir Endes unterschriebenen ist für das gnädige Fräulein Climenen an Schneiderarbeit verfertigt worden.

PHILIPP. Ha, ha, ha, ein hübscher Liebesbrief! Es ist ein Conto vom Bögeleisen, der Climenen Leibschneider.

TIMANT. Du siehst, daß es doch etwas ist, das Climenen angeht. Es sind doch Worte dabey, die mir bedenklich vorkommen.


Er liest weiter.


Für Verfertigung eines neuen Steifrocks – Es könnte doch etwas anders unter diesen Worten stecken.

PHILIPP. O ja, Meister Bögeleisen ist gar ein verschlagener Mann! Bey Seite. Es ist zum toll werden.

TIMANT. Für Ausbesserung eines grünen Schnürleibes, den 7. Jan. 8 Groschen. Für Verfertigung eines rosenfarbenen Unterrockes, den 10. Jan.

PHILIPP. Eines rosenfarbenen Unterrockes! Bedenkliche Worte!

TIMANT. Was hast du, worüber du verstohlener Weise lachest? Gesteh es!

PHILIPP. O! ich lache nur über Meister Bögeleisens artige Art, die Sachen zu beschreiben.

TIMANT. Ich kann bey allem dem aus diesem Zettel noch nichts nehmen. Es muß eine List dabey seyn, die über meine Begriffe geht.[33]

PHILIPP. Ueber die meinigen geht sie wahrlich auch.

TIMANT. Gerade fällt mir es ein! Geschwind bringe ein Licht.

PHILIPP. Und zu was für einem Gebrauche?

TIMANT. Thu, was ich dir sage! Es können auf dem Rande, an diesem Papiere, das wir nur für ein Schneiderconto halten, die wichtigsten Sachen mit Essige oder Zitronensafte geschrieben seyn. Das wollen wir durch das Licht sehen. Geschwind bringe eins.

PHILIPP für sich. Man wird ihn wahrhaftig noch anlegen müssen. Was das nicht für Einfälle sind!


Geht ab.


TIMANT allein. Sollte nicht etwan in den Anfangsbuchstaben eines jeden Wortes etwas stecken? I, V, M, E, U, I, ich kann unmöglich etwas heraus bringen.

PHILIPP. Hier ist schon ein Licht.

TIMANT. Geschwind! her.


Er hält das Papier über das Licht.


Auf diese Art müssen die mit Zitronensafte geschriebenen Buchstaben braun werden. Siehst du noch nichts?

PHILIPP. Ich sehe wahrhaftig nichts!

TIMANT. Ich auch nicht: doch sieh! sieh her! mich dünkt, es fängt an, braun zu werden.


Das Papier brennet an; Timant wirft es schreyend hinweg.


Ach, was für ein Unglück!

PHILIPP. Zur Strafe Ihrer Neubegierde haben Sie ein Paar gebrannte Finger bekommen.

TIMANT. Ach! diese wollte ich gern leiden, wenn nur das Papier nicht verbrannt wäre. Sahest du nicht, wie es braun wurde? Ganz gewiß war etwas wichtiges darhinter verborgen. Wer weiß, was ich für eine Zusammenverschwörung wider mich darinnen entdeckt hätte! Aber du hast es aus Bosheit gethan; du bist Schuld, daß es verbrannt ist. Wer weiß, wer dich bestochen hat!

PHILIPP. Still! gnädiger Herr, hören Sie nur jetzo auf. Der gnädige Herr Vater kömmt; und es wäre doch wohl wider die Höflichkeit, Sie in seiner Gegenwart auszulachen.


Quelle:
Johann Friedrich von Cronegk: Der Misstrauische. Berlin 1969, S. 32-34.
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