Sechster Auftritt

[37] Timant, Philipp.


TIMANT. Was hast du mit meinem Vater für Geheimnisse auszumachen? Was soll dieß leise Reden bedeuten?

PHILIPP. Um des Himmels willen, gnädiger Herr! was fangen Sie an? Sie lieben Climenen, sie wird Ihnen angebothen, und statt Ihrem Herrn Vater die Freude zu machen, die Wahrheit zu sagen, antworten Sie ihm so, daß er nicht weiß, wie er mit Ihnen daran ist.[37]

TIMANT. O! mit wie vieler Freude hätte ich das Anerbiethen angenommen, wenn ich gewußt hätte, ob ich trauen dürfte, oder ob nicht eine heimliche List darhinter steckete! Die zärtliche Art, mit der mein Vater sprach, hatte mich fast gerühret; ich hätte mich fast verrathen. Aber die Klugheit kam mir zu rechter Zeit zu Hülfe. Ehe ich mich entdecke, muß ich erst die Gedanken meines Vaters besser zu ergründen suchen. Ach, er hat sich nur zu bloß gegeben! Alles, was ich gefürchtet habe, ist wahr. Hast du nicht gemerket, wie er bisweilen zornige Blicke auf mich warf?

PHILIPP. Das habe ich nicht gemerket. Und wenn es auch wäre; welcher Vater würde nicht zornig wer den, wenn ein Sohn so mit ihm umgienge? Ich weiß gar nicht, wie man ihm eine schlimme Absicht zutrauen kann.

TIMANT. Kann er sich nicht verstellt haben, um mir heraus zu locken, ob ich Climenen wirklich liebe, und um mich von hier zu schicken, wenn er die Wahrheit erfahren hätte? Es ist nicht das erste mal, daß Väter gegen die Kinder so verfahren sind. Du bist nur zu unerfahren in der Welt, um das zu wissen. Was sollten die Entzückungen bedeuten, wenn er von Climenen sprach? – Ein Mann von seinen Jahren. Aber unterdessen ist es doch gewiß, daß er mein Nebenbuhler ist, und daß alles, was er thut, darauf abzielet, mich von ihr zu reißen. Hast du nicht bemerket, wie er sie zuvor angesehen hat? Für einen Schwiegervater ist seine Zärtlichkeit gegen sie zu groß! Wie wohl habe ich gethan, daß ich mich nicht entdecket habe. Ich will hineingehen, und mehr von meinem Unglücke zu erfahren suchen. Ach! ich weiß es gewiß, daß ich nur zu viel erfahren werde. Wenn nur das Papier nicht verbrannt wäre; das könnte mir in vielem Licht geben.


Geht ab.


PHILIPP. Was da nicht für Geduld dazu gehöret, mit einem solchen Herrn umzugehen! Ich bin zu ehrlich für ihn; er ist eines so guten Bedienten nicht werth. Wer zu mistrauisch ist, verdienet, betrogen zu werden.

Quelle:
Johann Friedrich von Cronegk: Der Misstrauische. Berlin 1969, S. 37-38.
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