Erster Auftritt

[39] Herr Geronte, Climene.


GERONTE. Sage mir nur, was du haben willst? warum du auf einmal so traurig geworden bist, und warum du seufzest, seit dem ich dir die Nachricht gegeben habe, die dir angenehm seyn sollte?

CLIMENE. Wie sollte ich meine Thränen zurückhalten? Wie sollte es mir angenehm seyn können, mich von einem geliebten Vater zu trennen, und einem herrischen und melancholischen Bräutigame zu folgen?

GERONTE. Armes Kind! du kannst dich nicht recht verstellen. Es fällt dir nicht so schwer, den Vater zu verlassen, als dem Bräutigame zu folgen! Das ist jetzt eine Sache, die bey den Mägdchen nicht gewöhnlich ist! Die würden zehn Väter um einen Bräutigam geben. Was misfällt dir denn aber an dem Timant? Warum widersetzest du dich meinem Willen?

CLIMENE. Ich? Mich Ihrem Willen widersetzen? Gnädiger Herr Vater, das ist noch nie geschehen, und das wird mein Herz niemals zulassen. Ich gehorche Ihnen; ich bin bereit, Timanten zu heurathen. Ich bin gehorsam; aber verzeihen Sie mir, wenn ich es nicht ohne Thränen seyn kann.

GERONTE. Ja, zum Henker! das eben nenne ich Ungehorsam, wenn du niedergeschlagen und traurig bist. Wenn du mir mit Widerwillen das Vergnügen machen willst, das ich von dir verlange: so thu lieber gar nicht, was ich haben will. Ich weiß wohl, daß Timant bey allen seinen guten Eigenschaften einen gar seltsamen Sparren hat: aber was schadet das? Es ist oft um desto besser für eine Frau, wenn der Mann so ein wenig närrisch ist. Sein Vater ist mein alter Freund, und wir wollen ihn schon nach unserm Geschmacke ziehen.

CLIMENE. Ach! sein mistrauisches Wesen wird ihm niemand von uns abgewöhnen.[39]

GERONTE. Genug ist es, ich thue es zu deinem Besten, daß ich dich mit ihm verheurathe. Hältst du mich für zu dumm, dir eine gute Partey auszusuchen, oder für feindselig gegen dich? Glaube mir, meine Tochter, wenn du in meinem Alter seyn wirst, so wirst du auch so denken, als wie ich. Man kann nicht in allen Sachen seinem Kopfe folgen.

CLIMENE. Ich glaube alles, was Sie mir sagen, gnädiger Herr Vater. Aber ach! mein Herz saget es mir, daß ich mit Timanten unglücklich seyn werde.

GERONTE. Schlage dir nur diese schwermüthigen Grillen aus dem Kopfe. Wenn du eine rechtschaffene Tochter seyn willst: so ist es noch nicht genug, den Willen deines Vaters zu thun; du mußt auch freudig und willig thun, was er von dir haben will; und du mußt nicht dazu weinen. Schäme dich; du hältst das Schnupftuch vor die Augen, und bist schon so groß; oder glaubest du, daß es sich so gehöret, und daß es Mode ist, daß die Bräute weinen müssen? Sey zufrieden, meine Tochter! Rufe alle deine Stärke zusammen, und beruhige dich.

CLIMENE. Ja, ich will gehorchen, ich will mich beruhigen, wenn es möglich ist. Verzeihen Sie meine Thränen, verzeihen Sie, wenn ich auch jetzo noch nicht meiner Schwermuth Einhalt thun kann. Das ist das erstemal, daß ich Ihnen ungehorsam gewesen bin. Ich will mich aber überwinden; niemand soll die Schwachheit meiner Thränen erfahren. Seine Pflicht erfüllen, ist einem edlen Herzen allemal ein Vergnügen. Verzeihen Sie mir, wenn ich mich von einer Schwäche habe überwinden lassen. Ich bin bereit, Ihren Willen zu erfüllen, und Timanten die Hand zu geben. Ja, was noch mehr ist, ich bin bereit, es standhaft und mit heiterem Gesichte zu thun.

GERONTE. Recht so, meine Tochter! so gefällst du mir. Du redest wie ein Buch so schön. Hier kömmt dein Schwiegervater.

CLIMENE bey Seite. Armer Damon, verzeihe mir, ich leide mehr, als du!

GERONTE. Was murmelst du? Du fängst ja schon wieder an, zu weinen. Schäme dich nur vor meinem alten Orgon.

CLIMENE. Verzeihen Sie mir, ich gehorche.


Bey Seite.


Sey standhaft, armes Herz, du bist doch einmal zu lauter Unglücke bestimmt.


Quelle:
Johann Friedrich von Cronegk: Der Misstrauische. Berlin 1969, S. 39-40.
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