Dritter Auftritt

[78] Geronte, Orgon, Damon, Climene, Lisette.


GERONTE. Komm nur näher, wir reden eben von dir. Komm, meine Tochter, du wirst eine Neuigkeit erfahren: aber ich weiß eben nicht, wie du damit zufrieden seyn wirst. Doch du bist einmal ein gutes Kind; ich verlasse mich auf deinen Gehorsam.

CLIMENE. Wenn mir diese Neuigkeit eine Gelegenheit ist, Ihnen eine Probe davon zu geben; so muß sie mir angenehm seyn.

GERONTE. Da, mein alter Freund, der zu gut und zu versöhnlich ist, hat seinem Sohne alles vergeben, und du sollst ihm auch vergeben.

CLIMENE. Er hat mich niemals beleidiget; ich habe ihn allezeit bedauert; und ich kam eben her, um für ihn zu bitten.[78]

GERONTE. Nun, das ist gut! so wirst du damit zufrieden seyn, daß ich ihm auch vergeben habe. Aber es ist noch mehr! Orgon will haben, ich soll ihm das Wort halten, das ich ihm einmal gegeben hatte, und ich habe ja gesagt: Du sollst Timanten heurathen. Was sagest du dazu?

CLIMENE. Timanten heurathen – Gnädiger Herr Vater – Damon, Sie schweigen – Sie seufzen.

LISETTE. Was das nun wieder für ein Einfall ist!

GERONTE. Es ist eben Damon, der für Timanten gebethen hat, und der mich bath, ich möchte dich ihm geben.

CLIMENE. Sie, Damon! –


Zu Lisetten.


Halte mich, ich weiß nicht mehr, wo ich bin. Damon liebet mich nicht, Damon ist treulos? Himmel, was höre ich!

DAMON. (O Himmel, kaum kann ich es sagen!) – Ja, gnädiges Fräulein, ich war es. Ich konnte Sie nicht besitzen, ohne die Freundschaft und die Tugend zu beleidigen. Machen Sie meinen Freund glücklich! Lassen Sie mich unglücklich seyn – Ich war nicht dazu bestimmt, Sie zu besitzen – Bedauren Sie mich.

CLIMENE. Sie schlagen meine Hand aus? Sie, Damon? Ich soll Sie bedauren?

GERONTE. Ja, er schlägt deine Hand aus, und ich werde ihn nicht bitten, sie anzunehmen, wenn er nicht will. Hast du aber Lust, es zu thun?

CLIMENE zu Lisetten. Ich verzweifle! Was soll ich thun? Soll ich niederträchtig genug seyn, und ihm seine Treulosigkeit vorwerfen? Er muß sich doch zu sehr verstellt haben, wie er mir von seiner Liebe vorsagte; er muß eine reichere Partie gefunden haben – Ich kann es nicht ausstehen. Der Schmerz ist für ein zärtliches und edles Herz zu groß.

LISETTE zu Climenen. Verbergen Sie nur Ihre Wehmuth; der Herr Vater wird sonst böse! Sehen Sie nicht, wie er auf uns sieht! Orgon saget kein Wort; er sieht gerührt aus. Damon scheint gar außer sich zu seyn. Er muß Sie ungern verlieren; er muß Sie lieben; nur kann ich die Ursache nicht begreifen.[79]

CLIMENE zu Lisetten. Er soll mich lieben! Und warum würde er mich verlieren wollen? Warum würde er meine Hand ausschlagen? Ich wollte, er liebete mich, um ihn bestrafen zu können, und um seine Schmerzen, wenn er Schmerzen um mich fühlet, so heftig zu machen, als die meinigen.

GERONTE. Nun, wir gehören auch zur Gesellschaft! Was hat dir Lisette für einen Rath gegeben? Zu was hast du dich entschlossen? Willst du gehorsam seyn? Sage geschwind!

CLIMENE. Was soll ich thun? – Damon, Sie wollen es?

DAMON. Ja – Climene, ich bitte Sie darum: Leben Sie mit meinem Freunde glücklich – Ich kann nicht länger hier bleiben; ich werde Sie noch einmal wieder sehen.


Er will abgehen.


CLIMENE. Nein, bleiben Sie noch einen Augenblick. Sie wollen es, Damon? – Ich habe mich entschlossen: ich will Timantens seyn.

DAMON. O Himmel!

ORGON. Darf sich mein Sohn so eines Glückes schmeicheln – Aber wenn es mit Widerwillen geschehen sollte!

GERONTE. Possen! Was Widerwillen! Die Sache ist richtig. Ich sehe, daß ich eine gehorsame Tochter habe.

ORGON. Damon, wohin gehen Sie?

DAMON. Sie werden mich wieder sehen – Ich sterbe, wenn ich länger bleibe. Dieß ist zu viel ausgestanden. Leben Sie wohl!


Er geht ab.


LISETTE zu Climenen. Er zerfließt in Thränen. Er sieht verzweiflend aus.

CLIMENE zu Lisetten. Ach, ich glaube, ich habe mich übereilet, Timanten mein Jawort zu geben.

GERONTE. Nun, wo ist denn dein Sohn? Wo sollen wir ihn suchen, um ihm von allem diesem Nachricht zu geben?

ORGON. Ich weiß es nicht, und brenne doch vor Begierde, ihn zu sehen, ihn zu umarmen, ihn des Unrechts zu überzeugen, das er mir gethan hat. Ich habe deswegen den Brief, der an seinem Mistrauen Schuld war, zu mir gesteckt: aber ich weiß nicht, wo ich ihn finden soll.[80]

GERONTE zu Lisetten. Weißt du nicht, wo er ist?

LISETTE. So viel ich weiß, so hat er sich mit seinem Bedienten, dem Philipp, in seine Stube verschlossen. Eben jetzt geht die Thüre auf.


Quelle:
Johann Friedrich von Cronegk: Der Misstrauische. Berlin 1969, S. 78-81.
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