An Hn. Johann Löselium Med. D.

[14] d. 5. Julii 1653.


Du bist, Herr Lösel, vmbgewandt,

Kein Lied wirdt mehr von dir geschrieben,

Wer zähmt dir die gelehrte Hand?

Wo ist dein grosser Fleiß geblieben?


Es hatten deinetwegen schon

Die Musen Lieb vnd Frewd empfunden

Vndt eine grüne Lorbeer Krohn

Vmb dein berühmtes Haupt gewunden.


Nun endern sie den gutten Sinn,

Nach dem dein Vorsatz muß erkalten,

Die Gunst bey ihnen fällt dahin,

Der Krantz wird andern vorbehalten.


Du fragest auch darnach nicht viel

Vnd gehest vmb mit bessern Sachen,

Waß kan ein armes Lautenspiel

Doch gegen die Artzneykunst machen?


So viel Gesundheit besser ist

Alß Kranckheit, Leben alß verbleichen,

So wirdt ein Artzt weit mehr erkiest

Alß Opitz, Ich vnd meinesgleichen.


Daher ein Sennert vnd Galen

Offt grosse Gütter kan erwerben,

Da ein Poet muß betteln gehn

Vnd nur für Hungers Noht nicht sterben.


Drumb ich dich gar nicht schelten kan,

Daß Du vnß andre lässest singen

Vnd nimst dich klüglich dessen an,

Daß in die Küche waß kan bringen.


Wolan, thu fleissig waß du thust,

Ich aber muß nur mich beklagen,

Daß du nach vmbgekehrter Lust,

Nach meiner Noht wirst wenig fragen.
[15]

Du weist, waß ich dich newlich baht,

Im Thumthor stiessen wir zusammen,

Ach Bruder, sprach ich, schaff mir Raht

Vnd lindre meiner Zunge Flammen.


Die Antwort war: Hab gutten Muth,

In kurtzen wil ich zu dir kommen.

Dieß ist vergessen, da die Glut

Indessen Vberhand genommen.


Chimaera wütet bey der Nacht

Nicht also sehr mit wildem Fewer,

Auch Lipara hat minder Macht

Zu brennen alß mein Vngehewer.


Der Heckelsberg wird durch mein Weh,

Der Ätna durch mein Leid bezwungen,

Pyragmon, Brontes, Sterope,

Euch trag ich all auff meiner Zungen.


Hilff, Bruder, mir in dieser Pein,

Im Fall sie anders noch zu heben,

Gieb heut mir einen Kühltranck ein,

Denn morgen möcht ich nicht mehr leben,


Gestehst du billich, daß mein Mund

Mich durch sein Fewer vmb sol bringen,

Daß meine Zung ist vngesund,

Die ewig deinen Ruhm wirdt singen.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 14-16.
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