Christliches Sterb-Liedchen

Wir sprechen sonst: je grössre Noth

Je näher Gott.

Herr, meine Sorgen

Vnd Plagen, die ich jetzt empfind'

Im Hertzen, sind

Dir unverborgen.

Die Lebens-Kräfft' entgehen mir

So daß ich schier

Empfinde Grawen,

Wie gäntzlich mir die Arm' und Bein

Entfleischet seyn,

Mehr anzuschawen.


Die Zung' hat keine Sprache mehr,

Auch mein Gehör

Beginnt zu schwinden,

Ich weiß durch meiner Augen Licht

Die Sonne nicht

Mehr zu empfinden,

Für allen schweben immerdar

Die jungen Jahr'

In meinem Hertzen,

So daß bey mir der Sünden Gifft

Weit übertrifft

Die Leibes-Schmertzen.


Ich winsle wie ein Kranich thut

Für schwerem Muth,

Muß kläglich girren

Wie Tauben, die verwittibt seyn,

Im Wald' allein

Vnd flüchtig irren,

Setz mich in dieser Angst, o Gott,

In keinen Spott,

Steh mir zur Seiten

Vnd hilff mir allen Hellen-Mord

Mein starker Hort

Getrost bestreiten.


Herr Christ, ich bin auff dich getaufft,

Durch dich erkaufft

Von allen Sünden,

Die haben numehr, o mein Heil,

Durchaus kein Theil

An mir zu finden.

Mein Glaube lässet nicht von dir,

Nur tilge mir

Dieß letzte Leiden:

Vnd laß mich ewig weder Noht

Noch diesen Tod

Von dir mich scheiden!

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 4, Halle a.d.S. 1938, S. 3.
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