Es ist, gewünschter Frühling, war,
Dein Reichthum kröhnt das gantze Jahr,
Du bist die Lust der Zeiten,
Dein FußStapff wäscht in Oele sich,
Dein Kleid kan mehr als Königlich
Feld Berg und Thal bespreiten.
Kein Morpheus ist so mannigfalt
Als du in tausend Lust-gestalt,
Du lächelst durch die Sonne,
Durch dich ergetzt sich Mensch und Thier,
Du bist der Glieder newe Zier
Vnd aller Hertzen Wonne.
Du bist das Leben in dem Meer
Du singest auff den Zweigen her,
Vnd wehest in den Lüfften,
Du regst der Bäch' und Quellen Fluth,
Vnd bist das unerschöpffte Gut
Tieff in der Erden Klüfften.
Wolan, sey liebreich als du thust,
Erfüll der Menschen Sinn mit Lust,
Das Feld mit schönen Gaben,
Sey aller Dinge Gnüg und Schein,
Die gantze Jahr-Zeit such' allein
Zum Freunde dich zu haben.
Du gleichest doch bey weiten nicht
Dem ewig-schönen Vorjahrs Licht
Nach diesem schnöden Leben:
Wir lassen sämptlich deine Zier
Sampt aller Welt, so bald als wir
Von hinnen uns begeben.
Wie leicht kömpt dir ein strenger Nort
Der führet alle Hoffnung fort,
So man zu dir getragen,
Wo bleibt so manches Hertzeleid
Da wieder deine gutte Zeit
Durchaus nicht wird verschlagen?
Wie lang auch wehrt dein grüner Pracht?
Vier Wochen werden hingebracht,
Denn kömpt des Sommers Hitze,
Des Hundsterns Unlust-voller Schein
Die schweren Wetter lass' ich seyn,
Den Donner sampt dem Blitze.
Der Lentz im Himmel aber wehrt,
Nicht durch Verdruß noch Noth beschwert.
Ohn alle Maß und Ende
Gleich mit der langen Ewigkeit,
Denn da ist weder Ziel noch Zeit
Noch Nacht noch Sonnen-wende.
Für tausend Sonnen ist das Licht
Selbst unser Gott, der wancket nicht,
Da fleusst das Quell der Gnaden,
In welches Birnstein-hellen Fluth
Die Seelen, so durch Christus Blut
Gereinigt sind, sich baden.
Da höret man den Lobgesang
Der Engel, und der Music Klang
Durch aller Hertzen dringen,
Vnd Frewden die kein Aug erkant,
Kein Ohr gehört und kein Verstand
Vns hie weis vor zu bringen.
Da ist nicht Kranckheit ist nicht Grab,
Gott wischet alle Thränen ab
Von der Betrübten Wangen,
Da geht des Lammes Hochzeit an
Mit denen, die es hie schon kan
Durch seine Liebe fangen.
Wer einen Blick nur könte thun
In solche Lust, der würde nun
Und nimmer, halt' ich, sterben,
Würd ausser sich seyn weg gerafft,
Des Himmels voll, und newe Krafft
Des Lebens stracks erwerben.
[5]
Wie kömpt es daß wir also blind
So dieser Welt ergeben sind
Und jener Lust nicht achten?
Wir bilden sie uns nie recht ein,
Sonst würden wir bemühter seyn
Nach jhr allein zu trachten.
Wer unter uns steht nach Gewinn,
Vnd gibt für Koth die Perlen hin,
Für Trespen schönen Weitzen?
Vnd geben doch des Himmels Gut
Für diese Welt wenn wir den Muth
Die Erd uns lassen reitzen.
Wir lachen unsre Kinder aus,
Die bawen offt aus Sand ein Hauß,
Und lauffen hin und wieder,
Der bringet Stroh, die Wasser dar,
Und werden dessen kaum gewar
So fällt jhr Baw danieder.
Was thun wir anders, wenn die Welt
Vns streng in jhren Diensten hält?
Sie ist uns eine Feste
Auff die wir bawen, kömpt der Tod,
So sind auch unsre Bäw', O Noth!
Kaum rechte Vögel-Neste.
Laß uns die Thorheit, Gott, verstehn,
Daß wir der Erden müssig gehn,
Nicht mehr uns blind verlauffen,
Nicht Wasser geben für den Most,
Noch für geringe Linsen-Kost
Die Erst-Geburt verkauffen.
Zeuch unsern schwachen Geist empor,
Laß deine Freuden unser Ohr
Vnd Hertz allzeit durch dringen,
Tilg aus in uns des Fleisches List,
Daß wir nach dem was droben ist
Ohn End und Ablaß ringen.
Wo unser Mit-Geschwister schwebt
Und der Gebein man jetzund hebt
Es an das Grab zu tragen,
Der Kinder sich durch jhren Tod
Befinden in nicht schlechter Noth
Vnd hertzlich sie beklagen.
Du wollest, Gott, sie in gemein
Versorgen, und jhr Pfleger seyn,
Daß sie auff Tugend achten,
Zeuch ihnen Recht und Vnschuld an,
Damit sie nach dem lieben Mann
Ach! Ihrem Vatter schlachten.
Uns aber, Herr, gib den Verstand
Daß wir den Welt-Pracht nur für Sand
Für Staub und Vnflat schätzen,
Vnd so entgehn der Hellen Pful,
Hergegen einen gutten Stul
Vns in dem Himmel setzen.
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