Christliches Trost-Getichtchen

Jerusalem du schöne Stadt

Vnd wahres Frewden-Leben,

Die der Mann vor gesehen hat

Hoch in den Lüfften schweben,


Den Patmos und die wüste See

Gefänglich hielt' ümbschlossen,

Als Sathan alles ärgste Weh

Bracht' auff die Christgenossen,


Du Wohnhaus solcher Herrligkeit

Die weder uns zu Sinnen

Mag kommen noch in diese Zeit,

Gott wohnt bey dir darinnen.


Der ist dein ewig-helles Liecht,

Von dem du Glantz gewonnen,

Darümb darffst du des scheines nicht

Des Mondes noch der Sonnen.
[131]

Das Gold muß uns das höchste seyn,

Dir wil es unwehrt fallen,

Die Thör in dir sind Edelstein,

Die Gassen sind Cristallen.


Kein Brand, kein Frost beleidigt dich,

Kein Mangel kan dich irren,

In dir regt keine Mißgunst sich,

Kein Leid kan dich verwirren.


Du nimmst allein die Vnschuld an,

Vnd kennst allein die Frommen,

Was hie nicht Sünde lassen kan

Das thar in dich nicht kommen.


Vnd was hie stets auff Rosen geht,

Dem Hochmuht ist ergeben,

Nicht nach den wahren Gütern steht,

Das wird in dir nicht leben.


Denn die verträget nicht dein Hauß

Die hie zu Gott nicht eilen,

Die Hunde stößt man dort hinaus,

Woselbst sie ewig heulen.


Du hältest unsre Lüst' im Zaum

Beschneidst uns an den Sinnen,

Daß die Begierden wenig raum

Allhie bey uns gewinnen,


Daß wir der schnöden Sündensucht

Der Erden uns entziehen,

Vnd durch des Fleisches strenge Zucht

Hinauff begierig fliehen.


Ertragen frewdig Armuht, Noht,

In die Gedult uns hüllen,

Vnd standhafft seyn biß in den Todt,

Dieß ist ümb deinet willen.


Schaw was für eine Seele wir

Aus diesem Leben senden,

Ihr Sinn und Hoffnung war nach dir,

Vnd selig anzuländen.


Sie kömpt von hier aus grosser Quaal

Vnd wie aus schweren Banden,

Hat manchen Drang in diesem Thal

Der Thränen außgestanden.


Kein reiner Schnee wird also weis

Als zwar ihr Kleid befunden,

Das rühret von dem rohten Schweiß

Vnd von des Lammes Wunden:


In welchen sie es hell gemacht,

Sein purpurrohtes Leiden

Ist ihre Königliche Tracht,

Sonst kennt sie keine Seiden.


Sie floh' hie für der Sünden Pfuel,

Hat allzeit liecht geschienen,

Jtzt sucht sie Gott vor seinem Stuel

Ohn unterlaß zu dienen.


Nimm sie geneigt und freundlich an,

Was Menschen hie beleiden

Vnd Kümmerniß erwecken kan

Müss' ewig von ihr scheiden.


Der auff dem Stuel sitzt liebe sie,

Sey ihre Hut und Pflege,

Daß kein Verdruß und keine Müh

Sich irgends ümb sie rege.


Das Lamm im Stuel nehm' ihrer war

Vnd weide sie für allen,

Daß keine Trübsal und Gefahr

Mög' ewig auff sie fallen.
[132]

Er wolle Leben, Geist und Liecht

Zu trincken sie gewehnen,

Vnd Gott wisch' ab jhr vom Gesicht

Den Vnmuht aller Thränen.


Vnd irr' ich, oder hat sie schon

Wornach sie trug verlangen?

Ich sehe sie vor Gottes Thron

Was sie gewünscht empfangen.


Weg ist ihr Schmertz, weg ihre Pein,

Weg ihrer Kranckheit Plagen,

Der sie must' unterwürffig seyn

In ihren Lebens-Tagen.


Sie weis von keiner Arbeit Last,

Vergnügung, Frewde, Stärcke,

Heil, Leben, Danck sampt Fried und Rast

Sind ewig ihre Wercke.


Herr Fischer, diese Seligkeit

Ertragt als Christen sollen,

Dieß wär' ein unerhörter Neid

Sie ihr mißgönnen wollen.


Sonst gönnt ihr jedermann sein Glück,

Ja habt daran ergetzen,

So daß ich euch in diesem Stück

Weis wenig vor zu setzen.


Wie manchem bietet ihr die Hand,

Daß er ein Mann kan bleiben,

Vnd gründet also seinen Stand

Als wenig werden gläuben.


Ihr schätzt es auch für ewre Pflicht

Den Musen bey zu springen,

Denn hievon geben viel bericht

Vnd Kisch für allen dingen.


Jtzt woltet ihr ein Vnhold seyn,

Vnd ewre Liebste neiden

Daß ihr ein selig Stündelein

Geendet alles Leiden?


Thut wie ihr angefangen habt,

Strewt aus mit reichen Händen,

Die Kunst werd' also fort begabt,

Lasst ewren Sinn nicht wenden.


Wer Armuht fühlt, der müsse nicht

Für ewren Augen weinen,

Nein, sondern lasset ewer Licht

Für allen Menschen scheinen.


So werdet ihr zu seiner Zeit,

Satt dieser eiteln Erden,

Ihr in der ewign Herrligkeit

Dort beygesellet werden.


Vnd säetet ihr hie Fürsten gleich,

Doch sind es schnöde Gaben,

Dort sollet ihr das Himmel-reich

Dafür zu erndten haben.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 4, Halle a.d.S. 1938, S. 120-121,131-133.
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