Die Wächter des Kalifen

[222] Schlummre furchtlos, mein Gebieter,

Schlafe sicher, o Harún:

Wahrlich, deinem heil'gen Haupte

Soll kein Hasser Leides tun!
[222]

Denn ob deinen Träumen wachen

Vor der Tür der Löwen zwei:

Und wer sagt es, wer von beiden

Treuer oder stärker sei? –


Den Bemähnten hat dein scharfes

Schwert befreit am Wüstenrand,

Als die fürchterliche Schlange

Schuppenringig ihn umwand.


Dankbar hat der Wüstenkönig

Dir zu Füßen sich gestreckt

Und gehorsam wie ein Hündlein

Des Erretters Hand geleckt.


Nie mehr von der Ferse wich er

Dir seither bei Nacht und Tag:

Oft dein Haupt auf seiner weichen

Mähne statt des Pfühles lag.


Aber Arslan, mich, den zweiten

Deiner Hüter, hast du dir

Fester noch ans Herz gekettet

Als das königliche Tier.


Dich zu morden, aus Arabien

Hatte mich mein Herr gesandt:

Doch als ich dein Antlitz schaute,

Da versagte Dolch und Hand!


Und ich stürzte dir zu Füßen

Und gestand den Plan, den Mord:

Und in Flammen sollt' ich sterben

Nach der sieben Richter Wort.
[223]

Doch du blicktest mir ins Auge

Und gebotest: »Sei mir treu

Und behüte meinen Schlummer

Künftig als mein zweiter Leu!« –


Schlummre furchtlos, mein Gebieter,

Schlafe sicher, o Harún:

Wahrlich, diesem heil'gen Haupte

Soll kein Hasser Leides tun! –

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 222-224.
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