Elfenabschied

[416] Lebet wohl, ihr lichten Heiden,

Brauner Acker, grüner Rain,

Lebet wohl, wir müssen scheiden,

Mondenglanz und Sternenschein.


In den Schoß der Erde steigen,

In die Tiefe tauchen wir:

Nimmer führen wir den Reigen

Auf dem duft'gen Waldrevier.


Rings von allen Türmen läutet

Der verhaßten Glocken Braus

Und ein jeder Schlag bedeutet:

»Geister, euer Reich ist aus!«


Sang und Sitte sind geschwunden

Und vergessen Zucht und Recht;

Glaub' und Treu wird nicht gefunden,

Spottend lebt ein frech Geschlecht.


Nicht mehr lassen fromme Hände

Uns die letzten Ähren stehn,

Selbst die Kinder ohne Spende

Unserm Herd vorübergehn.


Wohl, es sei! – Ihr sollt nun schaffen

Selbst, allein, in Ernt' und Saat:

Steht, den Nutzen zu erraffen,

Einsam auf der eignen Tat.
[416]

Nimmer treibt am Rad den Faden

Frommer Magd die Geisterhand,

Nimmer hilft sie Garben laden,

Wann dem Knecht die Stärke schwand.


Lebe wohl, du Wiesenquelle,

Bühl und Halde, Trift und Saat,

Lebe wohl, du heil'ge Schwelle,

Der wir schützend oft genaht.


Lebe Tenne wohl und Speicher,

Wo uns oft der Tanz geletzt:

Ach, an Körnern wirst du reicher,

Und an Segen ärmer jetzt.


Bald ruft ihr uns an, zu helfen,

Wann ihr schwer im Frone keucht, –

Aber nimmer schaut die Elfen,

Wer sie einmal hat verscheucht.

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 416-417.
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