Glück

[9] Was suchst du?

Warte und wache so laut du kannst.

Wache und horche.

Das Glück, das berauschende, wonnezitternde Glück,

Es kommt nie. Es ist.

Es umarmt dich jäh,

Aus der pochenden Ahnung geboren.


Rosen, starke schwellende Rosen häufen ihren Duft.

Das ist sein Atem.

Und sein Lachen?

Es gibt nur ein Lachen.

Und das Lachen heißt »Glück.«


Und seine Augen! O diese Augen,

Die Strahlenblume des Himmels,

Der Sternentau silberner Nächte,

Schrill und melodisch.

Aber so ist es nicht immer.

Es kriegt in sich,

Lustsaugend an der Erinnerung.
[9]

Und dann leben die blendenden Träume,

Versteinert, stumpf und hart,

Wie des Mondlichts marmorne Lilien.

Aber nicht lange.


Wühlende Glockenlaute,

Taumelnd, schwelgend,

Von Freude gewiegt,

In Freude schwingend und schäumend

Das ist seine Stimme,

Seine allüberflutende Stimme.


Wird es nie müde?

Müde! Todesmüde.

Aber dann ist es nicht mehr,

Und wird nie mehr sein.


Es flackert noch rot,

Rot, purpurrot,

Aber ohne glühende Kraft,

Nur noch die Farbe von Flammen und Rosen.

Stockend kalt ekelgeronnenes Blut.


So ernst wird es dann,

Und so angstfromm,

Und Weihrauch kriecht ihm zu Füßen.


Tief im Dunkel,

In modernder Einsamkeit

Tasten die blassen welken Gedanken.

Horch! Harfen, ferne, ferne Harfen ...

Da breitet die Sehnsucht

Schluchzend die Arme:

O Glück! Glück!

O Glück!


Quelle:
Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 9-10.
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