Ein Märchen

[13] Wollt ihr ein Märchen erlauschen?

Ein Märchen? – Ich weiß eines.


O so wunderbar fein, so zart.

Wollt' ich's in Laute, in Töne gestalten,

Wäre jeder Laut, jeder Ton zu lauttönend.


Vorsicht! Behutsam!

Denkt leise!


Sonnenfunken – goldner Hauch –

Löscht ihn nicht – leise! leise!


Ein Garten, eine Gestalt – ein Mädchen.

Rings auf zitternden Schwingen Farben und Düfte,

Und mein Mädchen mitten in Farbe und Duft.[13]

Schwarzgrüne Büsche stumm, atemstockend,

Und darunter Blütenherzen,

Wildrote pochende Herzen,

Pochend in hast'gem Genießen.


Sie singt.

Ihre Träume sind ihre Lieder.


Weiße Astern,

Blendende Astern,

Wie sie sich wiegen.

Und der Garten singt

Und die Büsche,

Alles, alles singt in Farben und Düften.


Starrst du auf Rosen,

Nimm dich in acht.

Rosen sengen, brennen,

Weißt du das!

Sie weiß nichts.

Ahnte sie nur die Glut,

Müßte sie zitternd erglühn.


Aber Flammen wärmen,

Und Wärme weckt Flammen.

O berühre nicht! – Fort! – Flieh!

O berühre sie nicht!


Zu spät!

Erschrick nicht, rette,

Rette aus Flammen den Duft.


Angstfahle Blässe knirscht,

Aber Reue zermalmt nicht.

Auf weißen Astern schwarze Erde.

Warum schwarze Erde?

Warum nicht der Tod?


Erde ist Leben.


Auf weißen Astern schwarze Erde. –

Das ist mein Märchen.


Quelle:
Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 13-14.
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