Blütenleben

[16] Lauer Schatten.

Ein blühender Birnbaum auf altem müden Gemäuer. Bronzefarbenes Moos quillt über die Kanten und Risse.

Ringsum Gras, junggrün und durchsichtig. Es neigt sich leise und schmiegsam.

Harte blaßgelbe Winterhalme zittern dazwischen, farblos und schwach, wie vergrämte greise Haare.

Aschgraues und purpurbraunes Laub, mit feinem Metallschimmer, wie tiefes gedunkeltes Silber deckt den Grund.

Hie und da ein weißes Blütenblatt mit blaßrosiger Lippe. Leicht, zart, aber müde.

Das Geäst biegt sich dicht und tief zur Erde.

Sacht zerrinnt Blüte um Blüte und gleitet weiß, zögernd nieder.

Die Zweige senken sich tief, bis zu den einsam gefallenen Blüten.

Das Alter hat den Stamm zerschürft. In der gefurchten Rinde ziehen die Ameisen eine Straße hoch hinauf zur Krone. Emsig und flink rennt es aneinander vorüber.

Und dann oben die Bienen. Sie saugen schwerfällig und lüstern von den süßen Lippen und klammern trunken an den weichen Blütenrändern.

Ein üppiges Summen ist in der Laubkrone, ein einförmig gärender Ton.

Die Blüten zittern leise, und die jungen Blattspitzen zittern.[16]

Der alte Baum wiegt sich und seufzt. Duft löst sich, schwebt hinaus in den blauen Sonnenschein, warmsüß und scharf herb.

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Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 16-17.
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