Wiedergeburt

[138] Nach Paul Verlaine.


Da kam ein stiller Reiter

geritten durch den Hain,

der stach mit seiner Lanze

in mein alt Herz hinein.


Mein alt Herz gab nur einen,

einen Tropfen Blut;

der ist auf den Blumen vertrocknet

in der Sonnenglut.


Mein Auge losch in Schatten,

ein Schrei ging aus mir aus,

und mein alt Herz ist storben

in einem wilden Graus.


Dann hat der Reiter SCHICKSAL

sein Pferd herangeführet

und ist zur Erde stiegen sacht

und hat mich angerühret.


Seine Handschuhhand von Eisen

griff in meine Wunde,

indeß er seinen Wahlspruch sprach

mit seinem harten Munde.
[139]

Und als mich also eisig

ergriff die Hand von Eisen,

ward mir ein neues Herz gebor'n,

deß will ich beten und preisen;


ward mir ein neues Herz geboren,

das schlug so jung, das schlug so gut,

und heller Gluten trunken

genas mein Blut.


Da stieg der liebe Reiter

wieder auf sein Tier

und ritt davon und drohend

hob er sein rot Pannier,


sein schwarzer Helmbusch nickte,

ER aber sprach:

»Sei weise, Sohn – dein Gram ist

deine Schmach!«

Quelle:
Richard Dehmel: Aber die Liebe. München 1893, S. 138-140.
Lizenz:
Kategorien: