An Sappho

[51] Berühmte Sappho, Künderin des Feuers

Verzückter Liebe um ein schlankes Wesen,

Du hast so zarte Silben sacht erlesen,

Verklärter Sang zu sein des Abenteuers,


Das hin, vor des Umarmungsungeheuers

Gewalt, dich streckte: ich bin Weib gewesen!

Du mußtest aus dem Rausch zu Mut genesen:

Nun segle ewig, Brecherin des Steuers!


Des Weibes Leidenschaft durchschwärmt der Meere

Felshalsendes Bestürmen, dann Zerstäuben,

Und gischtet steil geschmettert in die Leere.


O, wie die Sehnsüchte sich brünstig sträuben,

Zermalmt zu sinken, durch der Mahnung Schwere:

Zu Herzens Ehre sollst du Lust betäuben!
[51]

Quelle:
Theodor Däubler: Attische Sonette, Leipzig 1924, S. 51-52.
Lizenz:
Kategorien: