[Tief unten, im schattigen windstillen Thale]

[50] Tief unten, im schattigen windstillen Thale,

Entstanden rings Hütten nach ländlichem Brauch,

Dort richten die Mütter soeben zum Mahle,

Denn über den Bäumen verästelt sich Rauch.


Allabendlich ruft er die Hirten hinunter,

Er giebt ja die Stunde der Ruhe bekannt!

Doch stimmt er das Bergvolk nicht immer nur munter,

Er wurde die Sorge des Dorfes benannt!
[50]

Sowie er erscheint, faßt die Hirten ein Bangen,

Zu dem sich allmählich erst Freude gesellt:

Sie denken, wie ist es zu Hause ergangen,

Wer weiß, ob sich alles wie Morgens verhält?


Oft scheint es, als balle sich Kummer zusammen,

Und später, als wäre der Dunst ein Dämon,

Bereit, unter sich, was da lebt, zu verdammen:

Und bald fürchtet mancher die eigene Vision.


Begeben sich Hirten, des Nachts erst, nach Hause,

So ängstigt sie oft schon ein rauschender Baum,

Besonders das wuchtende Buchengebrause

Vernestelt gar leicht einen schaurigen Traum.


Umstehn die Gelände phantastische Zeichen,

Wie Fragen in wechselnde Formen gebannt,

So sind das dann Ulmen, die Dunstbildern gleichen,

Sie werden stets wieder als solche erkannt!


Am liebsten erblickt man die friedliche Fichte,

Sie steht vor dem Dorfe, im einfachsten Kleid,

Dort sitzen die Obern zumeist zu Gerichte,

Drum hält sie die Arme zum Schützen bereit!

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 3, München; Leipzig 1910, S. 50-51.
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