Mandelkerngedicht

[91] Zwischen Akten, dunkeln Wänden

Bannt mich, Freiheitbegehrenden,

Nun des Lebens strenge Pflicht,

Und aus Schränken, Aktenschichten

Lachen mir die beleidigten

Musen in das Amtsgesicht.


Als an Lenz und Morgenröte

Noch das Herz sich erlabete,

O du stilles, heitres Glück!

Wie ich nun auch heiß mich sehne,

Ach, aus dieser Sandebene

Führt kein Weg dahin zurück.


Als der letzte Balkentreter

Steh ich armer Enterbeter

In des Staates Symphonie,

Ach, in diesem Schwall von Tönen

Wo fänd ich da des eigenen

Herzens süße Melodie?[91]


Ein Gedicht soll ich euch spenden:

Nun, so geht mit dem Leidenden

Nicht zu strenge ins Gericht!

Nehmt den Willen für Gewährung,

Kühnen Reim für Begeisterung,

Diesen Unsinn als Gedicht!


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 91-92.
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