Im Breisgau

[147] Welt der Berge!

Wie du wogst vor freudigen Augen!

Mein Gedank ist neu erhellt

Darf er also freigestellt

In die blauen Gründe tauchen.


Berghäupter unwillkürlich erscheinen

Gleich lebendigen dunkeln Wesen,

Ich mags an den finstern Stirnen lesen,

Wie sie sich zaubergewaltig meinen[147]

Berghäupter riesengroß

Schauerlich herübergrüßen

Aus der Ferne unendlichem Schoos.

Ich schaus wie die Zwergesrücken,

Die kleinen Hügel sich bücken,

Krümmen sich vor ihren Füßen.


Ueber den Wald hin spielet das Himmelslicht,

Und die Tannenberge stehen

In silbergrau blendendem Glanze,

Liebliche Lüfte wehen,

Kosen mit üppiger Pflanze,

Oder sie drehen

Sich hinunter im Wirbeltanze

In die aufgähnenden Schluchten.

Dort hausen die Brüder des Sturms

All die brausenden Stimmen

Die von Abend und Morgen und Mitternacht

Rasend durchs Luftmeer schwimmen.

Und mit sich reißen sie

Nebeldünste,

Die langsam den Tiefen entsteigen,

Thürmen sie auf zu Wolken,

Daß Donner erkracht

Und die starren Wälder sich beugen –

Das ist der Winde Macht.


Im düsteren Wirrwarr zucket der Schein,

Wenn es gähret und lange gegohren,

Der Blitzstrahl glühet die Lüfte rein –

Da wird die Frische geboren.
[148]

Unendliche Bergwelt,

In dir woget ein göttliches Schaffen,

Unsichtbar sichtbar

Rauschend Leben

Weben und Leben.

Wie frohaufschäumend

Kühn sich übers Geklüfte bäumend

Das sprudelnde Wasser zur Tiefe fällt!

Durch Busch und Gestein

Rieselt es in die Thäler herein,

Wohin sich dränget sein Lauf

Springen lebendige Blumen auf.

– Und rings ein lustiges Grün!

O reiche Natur, o liebende Mutter –

Da fliehn die erheiterten Wesen,

Auch deine Menschen hin!

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 147-149.
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