Saison

[201] Früh dunkelt die Welt. Was läßt sich erklügeln?

Was tödtet den Abend, was ist pikant?

Von den Wolkenhöhn, von den Nebelhügeln

Wirbelt der Schnee ins offene Land.[201]

Ha, glänzende Bahn! Durch Straßen und Plätze

Rauschet die göttliche Schlittenfahrt.

Ein Jauchzen und Schellen, wildfliegende Hetze,

Klingen und Knallen barbarisch gepaart!


Keck wirft sich hinein in die gaffende Menge

Der Fackeln rother lodernder Schein,

Musik erbraust in das dunkle Gedränge

Und Rossewiehern hintendrein.

Halloh! Du fürstliche Augenweide,

Du trunkene, du elegante Welt,

Vorübersaus in Pelz und in Seide,

Und spotte der Kälte, die – frisch erhält!


Halt! Teppiche her! den Arm den Damen!

Sie steigen ab am Säulenportal,

Wo festliche Sprüche, festliche Namen

Herniederflammern in farbigem Strahl.

Da wallet herein in die duftigen Räume

Die bunte, freudelachende Schaar;

Schon wiegt sich in stolze, in selige Träume

Ein manches liebeflüsternd Paar.


Schon lockt und ladet die Polonaise

Zum rasenden Reigen, zum tollsten Tanz;

Den Hallen entströmt ein klingend Getöse,

Hinaus in die Nacht ein Meer von Glanz.[202]

Es winken die Kelche mit feuriger Labe,

Die Geschirre klappern in Lustbarkeit –

Und, o Erbarmen, für »christliche« Gabe

Ein bettelnd Büchslein steht beiseit.

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 201-203.
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