Romanze

[277] Es war die Schlacht geschlagen,

Die letzte Schlacht im Krieg,

Es trugen unsre Fahnen

In Feindesland den Sieg.


Ich war der erste beste

Freiwillige vor der Schanz,

Die erste beste Kugel

Zerriß den Arm mir ganz.


Ich lag so schwer darnieder,

So fern von Liebchens Thür,

Und eines schönen Abends

Wär ich gestorben schier.


Und als davon die Kunde

Gedrungen in ihr Haus,

Da brach mein Schatz vor Schmerzen

In Blut und Thränen aus.


Ihr ward im tiefsten Herzen

So bang, so wild und weh:

Ob ich ihn habe verloren,

Ob ich ihn wiederseh?


So sank sie hin aufs Lager,

So sang sie leise für sich,

So schrie die schöne Jungfrau

In ihrem Jammer um mich.
[278]

O Gott, er ist gestorben!

O Himmel, er ist todt!

Ich sah sein Herz zerrissen

Im Traum, war blutigroth!


Da ward es in ihrer Seele

Gar feierlich, gar still,

Da ward der Guten zu Muthe

Wie Einer, die sterben will.


Sie glaubte zu zerfließen

Ins weite herrliche All,

Aus lichten Fernen vernahm sie

Unendlich süßen Schall.


Sie faltete die Hände

Auf ihrer Brust, sie sang

Mit ihrer Engelsstimme

Unendlich süßen Klang.


»Wie wird mir, ach, auf einmal?

So wohl, so leicht, so frei!

Als ob zu seliger Wonne

Ich ganz genesen sei!


Ich fühle mich so glücklich,

Wie nie ich glücklich war,

Mich fasset ein Entzücken,

Entzücken wunderbar.
[279]

Ich fühle mich, ich fühle

Mit ihm, ach ihm vereint,

Ich hab ihn wiedergewonnen,

Um den ich heiß geweint!«


Du lagst in Fieberträumen

So krank und fern von mir,

Und eines schönen Abends

Wärst du gestorben schier.


Und kaum war dunkle Kunde

Gedrungen in mein Haus,

Da hielt es mich nicht länger,

Da trieb es mich hinaus!


In deine lieben Arme,

An deinen lieben Mund –

Der starke Geist, der Wille

Sie machten mich gesund.


O Liebchen, theures Leben,

Die Freudenthränen stehn

In meinen Augen, denk ich

An jenes – Wiedersehn!

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 277-280.
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