[300] Die festlichen Fahnen flattern –
Den König auf hohem Thron
Erfreueten hundert Siege
So sehr nicht, als in der Wiege
Sein neugeborner Sohn.
Und heller Hörner Schallen
Erklinget ins Morgenroth,
Ihr Ruf stets neue Vasallen
Aufs Königsschloß gebot.
Das Zechen nahm kein Ende
Drei Monden flossen hin,
Und sieben Tage drüber,
Am letzten schlief hinüber
Die kranke Königin.
Da schrack der König zusammen,
Da ließ er löschen zur Zeit
Die Kerzen und Freudenflammen,
Da ward ihm prophezeit:
»Es wird ein Jüngling kommen,
Der Todten an Schönheit gleich,
Den Jüngling wirst du erschlagen,
Er hat dir in sieben Tagen
Zertrümmert Thron und Reich!«
Da schrack der König zusammen,
Da trauert sein Herz aufs Neu,
In seinen Augen schwammen
Der Kummer und bittre Reu.
[301]
Und zwanzig Jahre verflossen,
Vergessen war längst das Wort –
Jetzt aber flog von Munde
Zu Munde schmerzliche Kunde,
Sie meldete Brand und Mord.
Gefallen war unvermuthet
Ein schweifend Volk ins Land,
So unaufhaltsam fluthet
Das Meer nicht über den Strand!
Da sprach zum Sohn der König,
Und legt aufs schöne Haupt
Ihm freundlichen Blickes die Rechte,
»Geh hin, mein Sohn, und fechte,
Sei glücklich« ... ha, was raubt
Den väterlichen Wangen
So plötzlich alles Blut,
Was reißt ihm wie mit Zangen
Aus seiner Brust den Muth?
»Weh mir! das ist der Jüngling
Der Todten an Schönheit gleich!
Sein Anblick ist Erneuung
Verschollener Prophezeiung –
Wo ist mein Thron, mein Reich?«
Und einen bösen Gedanken
Gibt ihm der Schrecken ein,
Den schönen Jüngling, den schlanken,
Will er dem Tode weihn.
[302]
»Auf! eile mein Sohn, beweise,
Daß du von Helden entstammt,
Nimm dreißig erlesene Ritter,
Sei wie ein Morgengewitter,
Das schmettert wenn es flammt!
Die Kraft mußt du erproben,
Mußt suchen die Gefahr,
Die Welt verschmäht zu loben,
Wo großer Haufe war.«
Dem König flüchtig dankend,
Entfernt sich scheu der Sohn,
Nicht war dem Klugen entgangen
Die plötzliche Blässe der Wangen,
Des Vaters seltsamer Ton.
Und mit dem Argwohn flüchten
Mocht er zur Amme alt,
Er frägt nach alten Geschichten,
Da blutet sein Herz gar bald.
Doch Ehre gebeut und rufet
Den stolzen hinaus ins Feld,
Das Schwert klirrt in der Scheide,
So zogen auf nächtlicher Haide
Die dreißig, voran der Held.
Kaum funkelt der Tag, umschwärmen
Zahllose Feinde den Troß,
Beginnet die Schlacht zu lärmen,
Stürzt Reitersmann und Roß.
[303]
Weh euch, ihr treuen Kämpen,
Euch hält umarmt der Tod!
Durch eine Herrschergrille
Stehn eure Herzen stille –
Schlaft still – im Morgenroth!
Nur Einer will nicht schwanken,
Wo schon das Kämpfen ruht,
Die Frühlingskräuter tranken
Nur seiner Gegner Blut.
Der Jüngling wars, der jetzo
Der fremde Herzog berennt,
Der Herzog hoch zu Pferde,
Er wirft den Jüngling zur Erde
– Der springet auf behend.
Da greifen sie zu den Schwerten,
Da splittert des Jünglings Stahl
An bessern Stahles Härten,
Da rollt sein Helm zu Thal.
Doch schnell am prallen Haarschmuck
Des Hiebes Wucht erlag,
Wie golden wallten die Locken!
Der Herzog, freudig erschrocken,
Hält inne mit neuem Schlag.
Und schon hat Jener erhoben
Die Keule, zu rächen die Schmach,
Er schnellt sie mit rasendem Toben
Dem Hiebe des Fremdlings nach.
[304]
Sie sehn ihn wanken, schwanken,
Und sinken mit ihm ihr Glück;
Die fremden Krieger erbleichen,
In Furcht und Ehrfurcht weichen
Sie vor dem Starken zurück.
Der stehet einsam, trauend
Dem Schutze der Götter nur,
Es staunet der Feind, erschauend
Die leuchtende Heldenspur.
Und, die der Tod geschichtet,
Man hat sie jetzt nicht gezählt,
Wohl war der Führer darunter,
Doch wenn das Heer frisch munter,
Was hilfts, wenn der Führer fehlt?
Der Tapferste wars von Allen –
Er mußte es wieder sein –
Wars keiner seiner Vasallen?
Der Jüngling wars allein.
Sie jauchzen und küren den Helden,
Und heben ihn auf den Schild,
Der Jüngling wars zufrieden:
»Die Götter haben entschieden,
Mein Schicksal sei erfüllt!«
Wohl muß er die Heimkehr meiden
Zum Haus voll Trug und List,
Zum Vater, der beim Scheiden
Den Kuß des Verräthers geküßt!
[305]
Wie mit tosendem Gekrache,
Von des Wetters Macht zerschellt,
Die zertrümmerte Felsenmasse
Sich bahnt eine bebende Gasse!
Wenn sie fürchterlich winkt, und fällt,
– Und donnernd rollt sie die jache
Die Wand des Berges herab,
Und knickt, als nähme sie Rache,
Die Hoffnung des Menschen ab;
Ja Rache, weil sie gestürzet
Vom herrlichen Wolkenthron;
Zerschmettert Wälder und Hütten,
Sie begleitet im grausen Verschütten
Der Lebendigen Klageton –
So läßt sich die Kraft des Rächers
Nicht brechen, die Wuth nicht staun,
Die blinde, des schrecklichen Zechers
In Blut und Menschengraun.
Der König in seinem Schlosse
War traurig und war froh,
Er glaubte den Sohn erschlagen,
Er hörte des Volkes Klagen,
Sein stolzer Gleichmuth floh.
Und heller Hörner Schallen
Erklinget ins Morgenroth,
Ihr Ruf die schnellen Vasallen
Aufs Königsschloß gebot.
[306]
Sie ritten am siebenten Tage,
Zu großer Macht vereint,
Der König mit allen Recken,
Er wollte strafen den kecken
Den übermüthigen Feind.
Doch was seine Brust erfülle
Das sagt sein klopfend Herz,
Sein trotziger Herrscherwille
Erschmilzt in tiefen Schmerz.
Bald deckte die Schlacht den Anger
Mit sterbender Menschheit zu;
Es ermatten die feurigen Renner,
Vergeblich spornt sie der Männer
Gewaltiger Eisenschuh.
Noch immer herüber, hinüber
Schwanket das Schlachtenglück,
Doch immer umflort sich trüber
Des Königs düstrer Blick.
Da wirbelt ein heißer Südwind
Herauf vom nahen Meer,
Wild schmerzt die staubge Schwüle,
Da flieht in dichtem Gewühle
Das müde Königsheer.
Der König nur steht mannhaft,
Verstummt in sich hinein,
Mit letzter Athemspannkraft
Mäht er des Feindes Reihn.
[307]
Und auf einander treffen
Jetzund der Vater und Sohn,
Der Sohn dem Vater unkenntlich,
Der Vater dem Sohn unendlich
Verhaßt wie der Hölle Schlund.
Doch – soll der Sohn bestürmen
Den Vater mit scharfem Tod?
Ziemt Flucht? Sich selber schirmen
Heißt ihn die grimmige Noth.
Wie da der Mann, der starke,
Den Jüngling hart bestritt!
Dem stund in solchem Streite
Kein Jugendfeuer zur Seite,
Das reife Kraft vertritt.
Den Vater galts zu schonen,
Und doch zu retten den Schein
Der Tapferkeit. Wie lohnen
Die Götter so herber Pein?
Und sieh, da rollet wieder
Des Jünglings Helm zu Thal;
Des Königs Hiebe flammen –
Der König schrickt zusammen,
Der Sohn erbleicht zumal.
Und auf den schönen Todten
Starrt hin des Vaters Schmerz;
Der König rasselt zu Boden
– Gebrochen war sein Herz.
[308]
Es staunen die fremden Horden
Am unheilvollen Ort.
So redete wahr die Stimme,
So war erfüllt das schlimme,
Das alte, verschollene Wort.
Vom Könige selbst erschlagen
Der Jüngling, an Schönheit gleich
Der Mutter – in sieben Tagen
Zertrümmert Thron und Reich.
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