Politisches Gezänk in Ehren,
Ein wenig Kunst auch will der Tag,
So pfeif' ich auf der Syrinx Röhren,
Und bringe was gefallen mag,
Euch, die im Schweiß des Angesichtes
Ihr euer Brod verdient und eßt,
Euch, die im Schein des Lampenlichtes
Ihr uns'res Wissens Tiefen meßt.
In schweren Wolken zieht das Leben,
Der Weise schaudert vor der Nacht,
Doch eine Waff' ist ihm gegeben,
Er widerspricht, indem er lacht;
Denn auch dem Priester strengster Musen,
Dem Mann vom nüchternsten Bedacht
Sitzt der geheime Schalk im Busen
Und trotzt der grauenvollen Macht.
Ihr freilich, zehnfach Ungeplagte
Vom Lebensernste, seid schon hold,
Daß ich an Phöbus Thron mich wagte,
Zu zerren an dem Quastengold;
Daß seine Glorien ich fange
Im Prisma bunter Ironie,
Und steure seinem Lyraklange
Mit wilder Faschingsmelodie.
[3]
Ich möcht' erheitern meine Freunde,
O könnt' ich stillen ihre Pein!
Ich möchte necken meine Feinde,
Und Anderen willkommen sein.
Doch kann ich nimmer euch die Rippen
Erschüttern, möge mein Gedicht
Ein Lächeln zwingen auf die Lippen
Euch, die ihr's danket oder nicht.
Ihr aber, die des Daseins Bürde
Bis an das stürmelose Grab
Hinschleppt mit staunenswerther Würde,
Legt eurer Größe Togen ab!
Nur, wer im Innersten zu hegen,
Zu tragen hat gerechten Schmerz,
Soll still mein Buch zur Seite legen,
Denn einfach ist das Menschenherz.
Und mag ich zunftlos euch erscheinen,
Die ihr zum Musenreigen schwebt,
Und in den hehren, ewigreinen,
Den wunderbaren Rythmen lebt -
Schlingt eure seelenvollen Tänze,
Noch ragt in's Blaue der Parnaß,
Wer da berufen ist, kredenze
Die Schale mit kastal'schem Naß!
Doch nicht das Zauberspiel der Grazien
Ist Alles, was dem Dunkel wehrt,
Was von Silesien bis Alsazien,
Vom Golf zum Belt das Herz begehrt;
Bachant'scher Taumel packt zuweilen
Uns an, die Schale weicht dem Krug,
Die Luft muß Fidelstrich zertheilen,
Ein Purzelbaum nur thut genug.
[4]
Herrlicher Unsinn, Götterfunken,
Humor des Aberwitzes, Strahl
Olymp'scher Freiheit, hergesunken
In's alte ird'sche Jammerthal,
Pathos in fröhlicher Verkleidung,
Komödie der Phantasien,
Sprüh' auf, Muthwille, Narretheidung,
Kehraus der Lyrik, wirble hin!
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte aus Lyrischer Kehraus: Fliegendes
|
Buchempfehlung
»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro